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Ring ersetzt den Schließmuskel

Erste deutsche Implantat-Operation erfolgreich in Bielefeld durchgeführt

Von Elke Wemhöner
Bielefeld (WB). Lothar Schmidt (68) aus Gütersloh ist der erste Deutsche, der ein »Anal-Band« als Ersatz für den funktionsuntüchtigen Darmausgang trägt. Gemeinsam mit Chefarzt Dr. Mathias Löhnert (Städtische Klinik Rosenhöhe in Bielefeld) wartet er nun auf die Wundheilung.
Patient Lothar Schmidt (68) aus Gütersloh kann schon wieder lächeln.

Drei dünne Schläuche, ein kleines Ventil, ein taubeneigroßer Ballon (Aktivator) und ein beweglicher Silikonring - das ist das »Soft Anal Band System«, die Entwicklung der im österreichischen Feldkirch sitzenden Firma AMI (Agency for Medical Innovations). Es funktioniert nach dem Pump-Prinzip und wird vielen Patienten, die unter Stuhl-Inkontinenz leiden oder einen künstlichen Darmausgang haben, ein hohes Maß an Lebensqualität zurückgeben. »Der erste Patient, dem es vor eineinhalb Jahren in Wien eingesetzt wurde, hat seinen Beruf wieder aufnehmen können«, berichtet Friedhelm Stagneth, AMI-Repräsentant in Norddeutschland.
Privatdozent Dr. Mathias Löhnert erklärt das Vorgehen: Um den erschlafften oder nicht mehr intakten Schließmuskel legt der Chirurg einen hohlen Silikonring und zieht unter der Haut einen dünnen Schlauch bis auf den Bauch; dort wird das Ventil platziert. Etwas oberhalb setzt der Operateur einen so genannten Einfüllport unter die Haut. Dann schiebt er einen weiteren Schlauch zur anderen Bauchseite, wo der Pump-Ballon positioniert wird.
Sind die Schnitte nach sechs Wochen verheilt, kann das »Anal Band System« benutzt werden. Der Träger schickt per Fingerdruck das Wasser aus dem Ballon in den Silikonring und verschließt damit seinen After. Möchte er den Darm entleeren, betätigt er das unter der Haut liegende Ventil. Der Silikonring öffnet sich und schickt das Wasser zurück in den Ballon. Über den ebenfalls implantierten Einfüllport kann die Flüssigkeitsmenge im geschlossenen Pumpsystem reguliert werden.
Dr. Löhnert hat die Zusicherung der Krankenkassen, Bänder bei fünf seiner Patienten erproben zu können und hofft, die Versicherungsträger dann überzeugt zu haben.
Die Patienten seien schnell wieder fit, betont Dr. Löhnert. Und außer den Kosten für das »Soft Anal Band System« (5000 Euro) schlagen nur der Eingriff und der stationäre Aufenthalt zu Buche. Operationen zur Schaffung eines künstlichen Darmausgangs sind - da sie in die Bauchhöhle eingreifen - aufwändiger, die Patienten haben eine längere Rekonvaleszenz und benötigen zeitlebens einen sogenannten Stoma-Beutel.
Lothar Schmidt war am Freitag zwei Tage nach dem Eingriff sehr munter und hatte die Aussicht, Mitte kommender Woche nach Hause zurückzukehren.
Die Perspektive, in sechs Wochen auf den Stoma-Beutel verzichten zu können, stimmt ihn fröhlich. Und über Unverträglichkeiten braucht er sich kaum Gedanken zu machen: die Entwickler haben das Silikon mit einem dünnen Titanüberzug versehen.

Artikel vom 26.02.2005