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Langsam verblassen die Narben

Der Berliner Dom am Lustgarten wird an diesem Sonntag 100 Jahre alt

Von Burkhard Fraune
Berlin (dpa). Er sollte dem katholischen Dom in Köln Paroli bieten und die Hauptkirche der deutschen Protestanten werden: Für den Berliner Dom war kein Geringerer als der Petersdom in Rom das bauliche Vorbild. Das Gotteshaus am Lustgarten, über Jahrzehnte Hofkirche der Hohenzollern, wird an diesem Sonntag 100 Jahre alt.

An dem majestätischen Kuppelbau, der etwa ein halbes Jahrhundert in Ruinen lag, verblassen langsam die Narben der deutschen Geschichte. Zwölf Jahre nach seiner Wiedereinweihung ist der »Kaiserdom« auf dem Weg, die bedeutendste evangelische Kirche des Landes zu werden.
Bei seiner Eröffnung 1905 diente der Prachtbau im Stil der Neorenaissance vor allem einem Herrn: Kaiser Wilhelm II. Die Gottesdienstbesucher mussten die Hälse recken, um einen Blick zu erhaschen auf den Hofstaat, der durch sein eigenes Treppenhaus auf die mächtige Kaiserempore schritt. »Kathedrale für die Protestanten der Welt« nannte Wilhelm die einst 114 Meter hohe Kuppelkirche. Für manche Berliner war sie schlicht die »Reklame-Zwingburg« der Hohenzollern.
Der Dom wurde zur Herrschaftsrepräsentation von Altar und Thron gebaut«, sagt Horst Schwebel, Kirchenbauprofessor an der Universität Marburg. Mit seinen filigranen Bildhauereien, Gold und Marmor sei die Kathedrale alles andere als typisch evangelisch. Noch heute legen Besucher minutenlang die Köpfe in den Nacken, damit ihnen kein Detail in dem Rund mit seinen bunten Mosaiken entgeht. Mühelos könnte man die Siegessäule in den Dom stellen. Von dem Gang rund um die Kuppel blicken Touristen hoch über Berlins Mitte.
Ein besonderer Anziehungspunkt ist die Gruft unter dem Dom. In 100 Särgen ruhen hier Generationen von Hohenzollern; die Grablege gilt als eine der bedeutendsten in Europa.
Auch heute nutzen Politiker den Dom für offizielle Anlässe. Sie gedenken darin der Flutopfer, feiern die deutsche Einheit oder erinnern an Queen Mum. Dabei ertönt die romantische Sauer-Orgel mit mehr als 7000 Pfeifen.

Artikel vom 26.02.2005