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»Wir dürfen keinen Spieler abgeben«

Arminia-Trainer Uwe Rapolder feiert am 1. März sein »Einjähriges« in Ostwestfalen

Bielefeld (WB). Ein Jahr Arminia: Am 1. März feiert der Trainer des Fußball-Bundesligisten sein »Einjähriges« bei Arminia Bielefeld. Aus diesem Anlass blickte Uwe Rapolder vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg im Gespräch mit Westfalen-Blatt-Sportredakteur Hans Peter Tipp noch einmal zurück -Êund auch nach vorn.

Was waren neben dem Aufstieg für Sie die drei bewegendsten Momente im ersten Arminia-Jahr?Uwe Rapolder: Das kann ich gar nicht sagen: Es war eine Flut von Eindrücken. Der Aufstieg war wunderbar, vor allem für den Verein. Dann hat auch die Erstliga-Hinrunde viel Positives gebracht. Aber es ist auch hängen geblieben, dass nach dem Mainz-Heimspiel einige Fans 'Absteiger' gerufen haben - nach vier Spieltagen. Das ist eine Mentalität, die abstiegswürdig ist. Wir haben uns aber nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern unsere Serie gestartet. Das Spiel gegen Bayern war sicherlich ein Highlight, auch die Partie auf Schalke, trotz der Niederlage, die Siege gegen Bremen und Dortmund - das waren alles tolle Erlebnisse, die wir zusammen in Bielefeld hatten.

Würden Sie die ersten zwölf Monate hier als normales Trainerjahr bezeichnen?Rapolder: Es es nicht normal, wenn es immer nach oben geht. Und für uns ist es praktisch so gewesen. Wir haben zwischendurch zwar konsolidiert, aber dann ging es wieder einen Sprung nach vorn. So ist aus einem Achten der zweiten Liga der Elfte der 1. Liga geworden, der im Pokalviertelfinale steht. Außerdem haben sich junge Spieler entwickelt -Ê Owomoyela, Langkamp. Grieneisen und Holsing haben Bundesligaeinsätze gehabt. Das ist schon eine gute Gesamtentwicklung.

Neben der Mannschaft sind auch Sie persönlich in der ersten Liga angekommen. Ihr Stichwort Konzeptfußball hat die Hinrunde geprägt . .Rapolder: Natürlich freut mich das. Ich war 14 Jahre im Ausland und habe von dort aus den deutschen Fußball verfolgen können. Ich habe viel in die Nachbarländer geschaut und damals schon erkannt, dass hier Nachholbedarf in der Arbeitsweise besteht. Als 'Schweizer' kann man aber immer viel erzählen, das glaubt einem keiner. Auch als Zweitligatrainer ist das so, denn in Mannheim habe ich mindestens so gute Arbeit geleistet wie in Bielefeld.

Inzwischen werden Sie besser wahrgenommen?Rapolder: Das Podium erste Liga, das Podium Arminia Bielefeld hat dabei geholfen. Jetzt ist meine Botschaft zur Kenntnis genommen und gewürdigt worden. Ich hab in allen großen deutschen Zeitungen Interviews gehabt, und immer ging es um die Sache Fußball. Das ist entscheidend, dass es weniger um die Menschen, um die Darsteller geht, sondern um den Fußball als solchen. Der ist weiter entwicklungsbedürftig. Das haben nicht zuletzt die Ergebnisse vom Donnerstag gezeigt. Wir müssen immer noch einen großen Schritt nach vorn gehen.

Wo besteht aus Ihrer Sicht akuter Handlungsbedarf?Rapolder: Die größten Defizite gibt es nach wie vor im taktischen Bereich. Der Umschwung ist eingeleitet: Viererkette wird fast überall gespielt, der Ball geht schneller in die Spitze. Aber jetzt muss alles perfektioniert werden. Bei Lyon oder auch Parma war zu sehen, dass jenen Mannschaften diese Spielweise schon in Fleisch und Blut übergegangen ist. Bei uns ist das zum Teil noch Stückwerk. Und auch im Kinder- und Jugendfußball gibt es viel zu verbessern.

In Bielefeld ist eine Entwicklung zu erkennen. Wohin führt der Weg?Rapolder: Das muss der Verein entscheiden, nicht ich. Die Verantwortlichen müssen mit klaren Vorgaben und Maßnahmen zeigen, wohin sie wollen, und die Angestellten müssen das Beste rausholen.

Welche Vorgaben erwarten Sie?Rapolder: Ich erwarte gar nichts. Ich habe mir abgewöhnt, irgendetwas zu erwarten. Ich lasse mich überraschen, wie Aufsichtsrat, Herr Kentsch und Thommi von Heesen Êdie Weichen für die Zukunft stellen. Ich kann nur dafür sorgen, dass die Stimmung in der Mannschaft gut ist und methodisch richtig trainiert wird.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Mannschaft nach der Saison auseinander fällt?Rapolder: Benjamin Lense verhandelt mit dem 1. FC Nürnberg, Patrick Owomoyela wird von seinem Berater überall angeboten, und bei Ervin Skela ist alles offen - das alles sind Dinge, die ich mit ganz gemischten Gefühlen beobachte. Arminia hat aus meiner Sicht eine große Chance: Wir haben eine tolle Mannschaft mit Supercharakteren. Diese Truppe muss gehalten werden. Eigentlich dürften wir gar keinen abgeben. Mein Wunsch ist es nach wie vor, auch Patrick Owomoyela in Bielefeld zu halten.

Ist das nicht sehr unrealistisch?Rapolder: Warum? Lassen Sie uns Rostock schlagen. Dann investieren wir in die Zukunft, machen ihm ein Angebot und verlängern den Vertrag. Das ist aus meiner Sicht nicht unmöglich. 'Owo' merkt selber, dass er noch nicht ausgereift ist. Ich habe ihn bis jetzt weitergebracht, ich kann ihn auch künftig noch weiterbringen.

Welches der Heimspiele -Ê Samstag in der Liga gegen Nürnberg, Dienstag im Pokal gegen Rostock -Êist wichtiger?Rapolder: Das nächste Spiel ist doch immer das wichtigste. Aber es wäre ein schönes Geschenk, wenn wir uns gegen Rostock für das Halbfinale qualifizieren könnten. Aber ich erwarte einen Doppelschlag: Wenn wir gegen Nürnberg gewinnen, wären wir in der Liga schon fast auf der sicheren Seite. Selbst bei einem Unentschieden stünden wir sehr gut da. Wer hätte vor der Saison gedacht, dass wir im März so weit wären.

Wie schaffen Sie es, dass Ihre Spieler am Samstag nicht an den Dienstag denken?Rapolder: Die denken noch gar nicht an Hansa Rostock. Wir reden im Jahr 200 Tage über die Meisterschaft und nur 20 Tage über den DFB-Pokal. Das ganz große Ziel ist der Klassenerhalt. Das steht über allem anderen. Der Pokal ist nur eine Beigabe - Êaber eine schöne.

Artikel vom 26.02.2005