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»Was passiert im Falle des Falles?«

Münsteraner Kirchenrechtler erläutert drei mögliche Handlungsvarianten

Münster (dpa). Was passiert, wenn Johannes Paul II. längere Zeit im Krankenhaus bleibt und sein Amt nicht führen kann, wenn er zurücktreten oder sterben sollte? Der Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke erklärt die kirchenrechtlichen Bestimmungen. Kardinäle und Bischöfe beraten im Vatikan unter Leitung von Angelo Sodano (stehend): Ohne den Papst können sie nur begrenzt entscheiden.
l Falls der Papst längere Zeit im Krankenhaus liegt und sein Amt nicht führen kann:
Ein Papst hat keinen Stellvertreter. Nicht delegierbar sind so genannte Unfehlbare Lehrentscheidungen, Heilig- und Seligsprechungen, Dispens (Auflösung) von Eheschließungen oder die genehmigte Entlassung von Priestern, die heiraten wollen, aus dem Dienst. Die Veröffentlichung päpstlicher Dokumente wie Enzykliken oder der Erlass päpstlicher Gesetze ist zwangsläufig nicht möglich. Die Kurie mit ihren verschiedenen Kongregationen ist in ihrer Arbeit aber nicht beschnitten. »Der Apparat läuft, aber wofür der Chef gebraucht wird, muss warten«, fasst Lüdicke zusammen. »Im religiösen Alltag der Gläubigen ändert sich nichts.«l Falls der Papst zurücktritt:
In der Apostolischen Konstitution »Universi Dominici Gregis« (1996) hat Johannes Paul II. verbindlich geregelt, was im Fall der Vakanz des Papststuhls zu tun ist und welche Rechte die Kurie und das Kardinalskollegium haben. Das Dokument unterscheidet nicht zwischen Rücktritt und Todesfall. In 2000 Jahren Kirchengeschichte ist nur ein einziges Mal ein Papst freiwillig zurückgetreten: Papst Cölestin V. im Jahr 1294. Nach Kirchenrecht kann ein Papst seinen Rücktritt erklären. Er wäre dann Alt-Bischof von Rom und hätte keinerlei Amtsgewalt mehr. Verhaltensregeln wie Rückzug aus der Öffentlichkeit gibt es nicht.l Falls der Papst stirbt:
Wie bei einem Rücktritt wäre die katholische Weltkirche bis zur Wahl eines neuen Papstes ohne Oberhirten. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Todes muss der Camerlengo (Kardinalskämmerer) Arbeitszimmer und Privatgemächer des Papstes versiegeln. Der Leichnam des Papstes darf nur fotografiert werden, wenn er mit den Pontifikalgewändern bekleidet ist. Kardinalsstaatssekretär und die Kardinalspräfekte treten zurück. Das Kardinalskollegium übernimmt die Amtsgeschäfte, doch es hat lediglich Vollmacht, laufende Geschäfte zu führen, Trauerfeiern und Beisetzung vorzubereiten und die Wahl des Nachfolgers zu organisieren. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Kardinal-Dekan zu, dem Deutschen Joseph Ratzinger.
Als wichtigste Amtshandlung muss das Kardinalskollegium »Tag, Stunde und die Art und Weise bestimmen, wie der Leichnam des gestorbenen Papstes in die Vatikanische Basilika zu überführen ist, um dort zur Verehrung der Gläubigen aufgebahrt zu werden«. Die Trauerfeiern sollen »während neun aufeinander folgender Tage gehalten werden«. Die Bestattung ist vier bis sechs Tage nach dem Tod vorgesehen.
Es ist aber nicht vorgeschrieben, dass die Päpste, wie in der neueren Geschichte üblich, unbedingt im Petersdom ihr Grab finden. Frühestens 15, spätestens 20 Tage nach dem Tod des Papstes müssen die derzeit 119 Kardinäle unter 80 Jahren zur Wahlversammlung (dem Konklave) in der Sixtinischen Kapelle zusammenkommen, um einen neuen Papst zu wählen.

Artikel vom 26.02.2005