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Exoten Gefahr für heimische
Flora und Fauna

Biologen besorgt um Artenvielfalt

Von Dietmar Kemper
Hövelhof (WB). Der Sonnenbarsch und die Spätblühende Traubenkirsche aus Nordamerika bedrohen die Knoblauchkröte in Bielefeld und die Heidenelke in der Senne. »Die Artenvielfalt in Ostwestfalen-Lippe hat zugenommen, aber das ist nicht unbedingt positiv«, sagt Peter Rüther, der Leiter der Biologischen Station Senne in Hövelhof.
Der Waschbär bedroht vor allem Vogelarten, die am Boden brüten. Foto: dpa

Spätblühende Traubenkirsche, Riesen-Bärenklau, Indisches Springkraut und Japanischer Staudenknöterich gehören zu den Neophyten - zu den nicht einheimischen Arten, die nach Ostwestfalen-Lippe eingeschleppt wurden. »Es sind sehr konkurrenzkräftige Pflanzen, die im Gegensatz zu den angestammten Arten schneller wachsen, größere Blätter bilden und Stickstoffverbindungen im Boden rascher aufnehmen«, erklärt der Botaniker Rüther. Für Ginster, Heidekraut und -nelke in der Senne ist das verhängnisvoll: »Sie leiden unter Schattenwurf und starkem Laubfall der fremden, übermächtigen Pflanzen.« In der deutschen Flora gibt es nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz 2375 einheimische und 678 fremde Arten. Unter den »Eindringlingen« befinden sich 412 Neophyten, also Arten, die erst in der Neuzeit nach 1500 eingewandert sind. Von diesen wiederum werden etwa 30 zu den so genannten Problemneophyten gerechnet, die zum Wohle der einheimischen Pflanzen bekämpft werden müssen - etwa durch Mähen, bevor sie Samen bilden.
In der Tierwelt heißen die eingeschleppten oder ausgesetzten Sorgenkinder Neozoen. »Der von Aquarianern ausgesetzte Sonnenbarsch etwa vermehrt sich explosionsartig«, klagt der Zoologe der Biologischen Station, Christian Venne. In dem Gewässer Kampeters Kolk in Bielefeld-Windelsbleiche hätten die Fische den Laich ratzekahl weggefressen. »Die Knoblauchkröte ist an diesem Gewässer akut vom Aussterben bedroht«, sagte Venne dieser Zeitung. Um die Kröte zu retten, reiche Befischung nicht mehr aus: »Im Kampf gegen den Sonnenbarsch müsste der Weiher leergepumpt werden, aber das ist teuer.«
Vogelarten, die am Boden brüten, werden vom Waschbären bedroht. »Am Edersee in Hessen ausgesetzt, kommt er heute überall in Ostwestfalen-Lippe vor«, weiß Venne. Die putzigen Waschbären stöbern in Mülltonnen und übernachten bisweilen in Schornsteinen. Die Mauereidechse wiederum kam ebenfalls ursprünglich nicht in Ostwestfalen-Lippe vor: Mittlerweile hat sie sich in den Kreidefelsen am Ostwestfalen-Damm in Bielefeld angesiedelt. Ohne Hilfe des Menschen hat es die Zebraspinne zu uns geschafft: Sie wanderte von Süd- nach Norddeutschland. »Die wachsende Artenvielfalt hat auch etwas mit den letzten warmen Sommern zu tun«, erklärt Venne.
Während neue Spezies auftauchen, verlieren die alteingesessenen ihre Scheu. Rehe im Garten sind keine Seltenheit mehr. Zoologen denken darüber nach, die Tiere in zwei Ökotypen einzuteilen: in die Wald- und die Feldrehe. Bambi kommt auch deshalb häufiger in die Nähe von Siedlungen, weil sie dort nicht bejagt werden, wissen die Experten der Biologischen Station.
                       www.biostation-
senne.de

Artikel vom 28.02.2005