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Das Telefonat dauert noch nicht einmal fünf Minuten und hat doch mehr bewirkt als die Lektüre eines Fachbuches. Direkt, ohne Umschweife und dennoch mit Wärme erläutert Rita Lawrenz einer jungen Mutter das Hilfeangebot des Vereins. Als sie hört, dass das Baby erst wenige Tage alt ist, kommt spontan: »Herzlichen Glückwunsch!« und dann der Zusatz »mir hat damals kaum einer zur Geburt meines Sohnes gratuliert«.
Rita Lawrenz kann heute, nach 19 Jahren, mit einer erfrischenden Art über Erlebtes reden und manchem auch eine Situationskomik abgewinnen. Und heute, da kann sie sicher sein, gibt es - auch dank des Arbeitskreises - viel mehr Kontaktpersonen und Anlaufstellen. »Ich bekam damals eine Literaturliste und den Hinweis, in Bethel gebe es einen Diakon, den ich ansprechen könne.« Es sollte aber noch etwas dauern, ehe sie persönlich auf diesen Diakon traf. Doch dann überzeugte Hermann Stüssel (heute Ehrenmitglied) die junge Mutter durch seine enorme Tatkraft »Er nahm mich kurzerhand mit zum Versorgungsamt, damit für meinen Sohn - damals acht Monate - ein Schwerbehinderten-Ausweis ausgestellt wurde. Damals ein Novum.«
Die Schwierigkeiten »bei den Hörnern« packen, die Hürden einfach beiseite räumen - wenn nicht gleich, dann eben später - das sind Eigenschaften, die die Arbeitsgemeinschaft Down Syndrom auszeichnen. Die eigenen Erfahrungen haben die aktiven Mitglieder stark gemacht und ihnen obendrein eine Kompetenz verschafft, von der nun andere profitieren sollen. »Es ist schon Einiges passiert«, meint Rita Lawrenz rückblickend. »Heute melden sich die Eltern schon drei bis vier Tage nach der Geburt und nicht erst nach drei bis vier Wochen.«
Viele Ärzte und Hebammen sind froh, den Eltern eine Anlaufstelle nennen zu können. Und diese kann nicht nur sofort die wirklich nützliche Literatur nennen, sondern auch Hilfestellung im Paragrafen-Dschungel geben und auf notwendige Formalien hinweisen. Sie bietet zudem die Plattform, Gleichgesinnte kennen zu lernen. »Der Austausch mit Eltern, die dasselbe durchmachen, ist so wichtig. Aber man hat im eigenen Verwandten- und Bekanntenkreis kaum jemanden, bei dem man nachfragen kann«, macht Rita Lawrenz deutlich. Auch hier hilft der Arbeitskreis: als Kontaktbörse.
Engagement für Menschen mit Down Syndrom umfasst auch Öffentlichkeitsarbeit. So kämpft der Arbeitskreis seit Jahren dafür, das abwertende Wort »Mongolismus« aus dem Sprachgebrauch zu streichen. Menschen mit Down Syndrom sollen nicht Vorurteilen begegnen, sondern als das angenommen werden, was sie sind: Persönlichkeiten mit Stärken und Schwächen. Und häufig Menschen mit besonderen Gaben.
Emotionen statt Informationen - auch dieses Mittels »bedient« sich der Arbeitskreis, wie alle Aktiven freimütig einräumen. Das jüngste Beispiel dafür ist das Buch »Außergewöhnlich« - mit 15 Porträts in Wort und Bild. Wenn Rita Lawrenz über die von Conny Rapp fotografierten Kinder spricht, muss sie unwillkürlich lächeln. »Die Fotos hätten mir damals Mut gemacht. Sie zeigen, dass das Leben auch pure Freude bieten kann und nicht nur Frust, Kummer und Angst.« Als Rita Lawrenz die Fotos letztlich bei einem Vortrag über die Leinwand laufen ließ, wurde es ganz still im Saal. »Die Zuschauer waren beeindruckt.« Und anschließend in der Pause suchten viele das Gespräch mit der Vereins-Repräsentantin. »Da kann man wieder die Gespräche nutzen, um für unsere Sache zu werben.«
Sohn Dennis, der Auslöser dieses Einsatzes, hat eine ganz gelassene Haltung zu dem Engagement seiner Mutter. Als der damalige Bundespräsident Johannes Rau zu einer Veranstaltung nicht persönlich kommen konnte, sondern nur eine Rede schickte, trat Dennis vors Mikrofon und las sie vor. Bei der nächsten Fachtagung in Augsburg wird er einen Workshop mit gestalten »Da bleibe ich besser außen vor. Ohne mich, meint meine Tochter Cathrin, gibt er sich ohnehin viel erwachsener«, amüsiert sich Rita Lawrenz. Den Sohn laufen lassen, ihn als selbständigen Menschen zu sehen, fällt besonders Eltern gehandikapter Kinder schwer. Denn sie wissen auch, dass sie etwas verlieren. »Ich kann mir mein Leben gar nicht anders vorstellen - es wäre langweilig gewesen«, ist Rita Lawrenz überzeugt.

Artikel vom 26.02.2005