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Im Vollrausch
Menschen getötet

Zweieinhalb Jahre Haft für Täter

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). Er tötete im Vollrausch mit 4,5 Promille im Blut seinen Nachbarn - und deswegen muss Ronald B. jetzt für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Die 10. Große Strafkammer des Landgerichtes verurteilte gestern den alkoholkranken Bielefelder wegen vorsätzlichen Vollrausches. Der Mann, so Vorsitzende Richterin Jutta Albert, habe angesichts seines Promillegehaltes im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt.

Am Abend des 6. August vergangenen Jahres war der 59-jährige Ulrich N. in seiner Ein-Zimmer-Wohnung im Appartementanbau des Contihotels verblutet. Wann Ronald B. an diesem Freitag in der Obdachlosen- und Sozialhilfeempfängerunterkunft an der Schelpsheide 19 dem Bekannten und Nachbarn mit dem Taschenmesser einen Stich in die Halsvene versetzt hatte, das konnten die Mordkommission und der ermittelnde Staatsanwalt Klaus Metzler später nicht mehr genau feststellen. Die Tatzeit, so hieß es gestern zum Prozessende vor dem Landgericht, muss zwischen 18.30 und 20.30 Uhr gelegen haben. Der Messerattacke des unter Alkoholeinfluss zu Gewaltausbrüchen neigenden 37-Jährigen war eine so genannte Dreiecksgeschichte vorausgegangen. Ronald B. und das am Tattag mit 2,5 Promille im Blut alkoholisierte Opfer Ulrich N. hatten einige Zeit zuvor Ehefrau beziehungsweise Lebensgefährtin »getauscht«. Ständige Streitereien zwischen dem 37- und dem 59-Jährigen, der sich offenbar nicht damit abfinden wollte, seine Frau an einen Jüngeren verloren zu haben, waren vor der Bluttat vom 6. August 2004 sozusagen an der »Tagesordnung«.
Wie Vorsitzende Richterin Jutta Albert in ihrer Urteilsbegründung feststellte, blicke der Angeklagte auf eine 20-jährige »Alkoholikerkarriere« zurück. Täglich habe Ronald B. Bier und Korn getrunken. Den Vorsatz, seinen Nachbarn Ulrich N. töten und damit einen Nebenbuhler aus dem Weg räumen zu wollen, war dem 37-Jährigen aber nicht nachzuweisen. Unter starkem Alkoholeinfluss stach der Bielefelder bei einem Trinkgelage im 1. Stock des Appartementanbaus mit seinem Taschenmesser mehr oder weniger ungezielt in Richtung von Ulrich N., traf wohl eher zufällig als absichtlich sein Opfer in den Hals.
Nach der Tat konnte Ronald B. sich an das Geschehen nicht mehr erinnern. Das Einzige, was der Mann noch wusste, war, dass es sich bei der Tatwaffe um sein Taschenmesser gehandelt hatte.
Das Opfer Ulrich N. hätte, wie ein Gutachter vor dem Landgericht feststellte, nicht sterben müssen. Der Messerstich in die Halsvene war nicht tief, die Wunde wäre bei schneller Alarmierung eines Notarztes problemlos zu versorgen gewesen. Doch der 59-Jährige war am Abend des 6. August 2004 offenbar zu betrunken, um Hilfe zu rufen. So verblutete Ulrich N. schließlich in seinem Ein-Zimmer-Appartement.
Neben der zweieinhalbjährigen Haftstrafe ordnete die 10. Große Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Die bisherigen zwei Versuche von Ronald B., sich in der Klinik Gilead IV vom Alkohol zu befreien, waren in der Vergangeheit gescheitert. So richtete Vorsitzende Richterin Albert auch eindringliche Worte an den 37-Jährigen: Er habe jetzt die Chance, sich aus der Alkoholikerszene zu befreien und nach Therapie und Haftentlassung ein gänzlich neues Leben jenseits von Bier und Korn zu beginnen.
Mit dem gestrigen Urteil war das Landgericht dem Antrag von Verteidigerin Christiane Herzig gefolgt. Die Anwältin von Ronald B. äußerte sich zufrieden über die »Sachentscheidung« der Strafkammer, die ihrem Mandanten nun neue Perspektiven aufzeige.

Artikel vom 25.02.2005