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Nackenband verrät Katholikin

»Westfälischer Trachtenschmuck« im Fächer Kabinett der Barisch-Stiftung

Von Sabine Schulze
und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Viel mehr als nur eine Kopfbedeckung war die Haube, die die Westfälin dermaleinst zur Tracht trug: Sie verriet, ob die Trägerin protestantischen oder katholischen Glaubens war - im letzteren Fall waren die Nackenbänder kürzer - ob sie um ein Familienmitglied trauerte - dann war die Haube kaum golden mit rotem Band - oder ob sie zu den Wohlhabenden im Dorfe gehörte. Dann nämlich waren die Zierbänder, die eigens aus Frankreich eingeführt wurden, breit.

Allemal aber waren die Hauben prächtig, eine Augenweide und wichtiger, schmückender Bestandteil der Tracht. Dafür hat das Ehepaar Heide und Hans Schumacher ein Faible. Bis zum Jahresende zeigt es eine Auswahl westfälischer Hauben und üppigen Trachtenschmucks aus seiner Sammlung in einer Sonderausstellung. Zu sehen ist sie im Fächer-Kabinett der Barisch-Stiftung, Am Bach. Die Eröffnung ist am morgigen Freitag, 16 Uhr.
Volkskundliches interessiert das Ehepaar von jeher, nicht umsonst betreuen Heide und Hans Schumacher gemeinsam mit Volker Menzel das Museum Osthusschule, und nicht von ungefähr ist Hans Schumacher Ortsheimatpfleger in Senne. Vor zehn Jahren aber begannen die beiden, Trachtenschmuck Westfalens zu sammeln. Etwa 50 Hauben und gut 100 Schmuckstücke - von der Halskette über die Brosche, von der Hemdspange bis zur Brustplatte, vom Ohrschmuck bis hin zu Gürtelschnallen - haben sie mittlerweile zusammen getragen. Und zu fast jedem Stück können sie erzählen, woher es stammt und welche Besonderheiten es hat.
»Wir haben überwiegend Trachtenschmuck aus dem 19. Jahrhundert; aus dem Osnabrücker Raum sind ebenso Stücke dabei wie aus Rahden, Schaumburg oder dem Paderborner Land. Denn historisch gehörten all diese Gebiete zu Westfalen«, erläutert Hans Schumacher. Neben den häufig aus Silber- oder Goldfäden gewirkten Hauben fallen vor allem die Halsketten mit großen Bernsteinkugeln und üppig verzierten Schließen ins Auge. »Wer sich Bernstein nicht leisten konnte, wählte eben Glaskugeln«, erklärt Schumacher. Für den Sammler sind sie heute wertvoller: Denn im Gegensatz zum Bernstein überdauerten sie wegen der Empfindlichkeit des Materials die Zeiten längst nicht so gut.
Riesig sind auch die zu den mit kleinen Glassteinen verzierten Broschen und Hemdspangen passenden Ohrhänger. Kaum vorstellbar, dass sie ohne Schmerzen getragen werden konnten. »Sie sind leichter als sie aussehen, weil sie aus Schaumgold sind«, erklärt Heide Schumacher. Und am Ohr hing dieser auffällige Schmuck ohnehin nicht: »Sie wurden an den Mundbändern der Hauben befestigt«, verrät die Sammlerin.
Überdimensional sind auch regelrechte Halsgeschirre und Brustplatten so groß wie Untertassen. Vor allem die Exponate, die aus dem Raum Lindhorst stammen, fallen ins Auge: »Dort liebte man es besonders üppig.« Dabei, betont Hans Schumacher, ist der materielle Wert des Schmucks eher niedrig: Gold spielt keine Rolle (eher vergoldetes Silber), die Schmucksteine sind neben Bernstein Onyx oder facettiertes buntes Glas. »Entscheidend ist aber die kunsthandwerkliche Arbeit.«
Regionale Unterschiede werden bei den Hauben deutlicher als beim Schmuck: Schneiderinnen oder Frauen, die sie besticken konnten, gab es in fast jedem Dorf. Goldschmiede aber waren eher in den größeren Zentren zuhause. Und so kann Schumacher ganz genau erklären, was das Typische für die Bielefelder Vertreter - wie Schlüter, Glänzer und Staudacher - war. Zierrat für die Männer zeigt die Ausstellung übrigens nicht: Sie mussten sich, um sich vom Nachbarn abzuheben, auf Uhr und Uhrkette, Knöpfe und Schuhschnallen beschränken.

Artikel vom 24.02.2005