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Es war einmal ein KönigMärklin feiert Bayerns frühere Monarchie und in Hessen gebauten Schnellzug
Die bayerischen Stämme bereiten sich auf ein Jubiläum vor. Am zweiten Weihnachtstag 2005 feiert der Freistaat die 200. Wiederkehr der Ausrufung des »Königreichs Bayern«. Die Spielzeughersteller, voran der Modelleisenbahn-Hersteller Märklin, kommen mit Sonderausgaben zum Jubiläum.
Einen kleinen Schönheitsfehler hat das Jubiläum schon: Die Erhebung des bayerischen Kurfürsten zum König und damit die formale Gleichstellung mit den Preußen in Berlin erfolgte als Gunstbeweis des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte. Die feierliche Proklamation fand übrigens sieben Tage nach der Erhebung am Neujahrstag 1806 statt.
Bei der Auswahl des Jubiläumsmodells entschied sich Märklin für einen Nebenbahnzug. Der »PtL 2/2« wurde zwischen 1905 und 1908 von den Firmen Maffei und Krauss entwickelt. Mit 50 Kilometer Höchstgeschwindigkeit zockelte die zweiachsige kleine Dampflok bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein durch bayerische und fränkische Lande. Ihr Aussehen mit einem um den Kessel herum gebauten Führerhaus und großzügigen Fenstern verhalf ihr zu dem Spitznamen »Glaskasten«. In die Zugpackung »Walhalla« (299 Euro) packt Märklin neben der Tenderlok zwei Personenwagen (inklusive Klasse 3), einen Post- und Gepäckwagen sowie einen Kesselwagen mit Bremserhaus.
Wirtschaftlich durchlebt Deutschlands führender Modelleisenbahn-Hersteller schwierige Jahre. Nach Umsatzrückgängen entschied die Geschäftsführung, Märklin auf neue Gleise zu stellen. Ein Teil der Produktion am Stammsitz Göppingen wird in die günstiger arbeitenden Zweigwerke in Thüringen und Ungarn verlagert. Fernöstliche Konkurrenz, die nicht mit dem gleichen Qualitätsanspruch, dafür aber weitaus billiger produziert, zwingt Märklin zu der Weichenstellung. Paul Adams, Vorsitzender der Märklin-Geschäftsführung, kündigte am Rande der Nürnberger Spielwarenmesse als eine Antwort »attraktive Startpackungen für unter 100 Euro« an.
Für die eingefleischten Modelleisenbahn-Fans, die im Märklin-»Insiderclub« zusammenfinden, lassen die Göppinger in diesem Jahr einen besonders attraktiven Zug auffahren: Der »Henschel-Wegmann« raste zwischen 1936 und 1939 in nur 95 Minuten von Dresden-Neustadt zum Anhalter-Bahnhof in Berlin. Die Antwort der Eisenbahn auf den Siegeszug des Automobils überzeugte nicht nur durch ihre enorme Beschleunigung von 0 auf 100 in nur drei Minuten, sondern auch durch stromlinienförmige Eleganz. Da mit Kriegsbeginn 1939 der Schnellzugverkehr eingestellt wurde, kamen allerdings nur zwei der in Kassel gebauten Züge zum Einsatz. Das Modell ist mit modernster Märklin-Digitaltechnik ausgestattet. Schon die schaltbaren Geräusche vom Pfeifsignal über Kohle schaufeln, Luftpumpe, Bremsen, Injektor, Dampf ablassen und Schieberkasten bis zum Fahrgeräusch beeindrucken. Die 122 Zentimeter lange Eisenbahn-Schönheit gibt es nur für Mitglieder des Insiderclubs zum Preis von 599 Euro. Bernhard Hertlein

Artikel vom 25.03.2005