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Belastendes
Gutachten im
Fall Humana

Unternehmen bezahlt Verteidiger

Von Christian Althoff
Herford (WB). Seit 15 Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier frühere Mitarbeiter des Herforder Babykostherstellers Humana. Ein jetzt fertiggestelltes Gutachten macht die vier Beschuldigten dafür verantwortlich, dass 2003 Sojamilchpulver mit zu wenig Vitamin B 1 nach Israel geliefert worden war. Zwei Babys sollen deshalb gestorben, 17 weitere schwer geschädigt worden sein.

Das Gutachten ist im Auftrag der Staatsanwaltschaft von Chemiker Dr. Axel Preuß angefertigt worden, dem Leiter des Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamtes in Münster. Er kommt zu dem Schluss, die vier Beschuldigten hätten bei Beachtung der notwendigen Sorgfalt merken müssen, dass das Produkt »Remedia Super Soya 1« zu wenig Vitamin B 1 enthalten hat. Die Humana-Mitarbeiter hatten das für den israelischen Markt entwickelte Produkt von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsstelle (LUFA) in Kiel untersuchen lassen. Obwohl dort vergessen worden war, den B 1-Gehalt zu bestimmen und dieses Versäumnis bei Humana bemerkt worden war, war das Babymilchpulver ohne weitere Analyse exportiert worden.
Humana hatte im November 2003 die Leiterin der Produktentwicklung, ihren Stellvertreter, den Leiter der Qualitätssicherung im chemischen Zentrallabor sowie den Leiter des Humana-Qualitätsmanagements entlassen, gegen die wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird. In Unternehmenskreisen heißt es, Humana habe konsequentes Durchgreifen dokumentieren und einen weiteren Imageschaden verhindern wollen. Man habe zwar die LUFA für die eigentlich Schuldige gehalten, weil diese seit Jahren zu hohe B 1-Werte ermittelt habe und deshalb selbst eine vollständige Analyse des Milchpulvers durch die LUFA dessen Auslieferung nach Israel nicht verhindert hätte. Doch habe man monatelange öffentliche Schuldzuweisungen verhindern wollen und deshalb die Mitarbeiter entlassen. Diese verzichteten auf Kündigungsschutzklagen. Im Gegenzug bezahlt Humana seit mehr als einem Jahr die Verteidiger der Beschuldigten und wird auch im Falle eines Prozesses für deren Honorar aufkommen.
Und noch ein fünfter Anwalt bezieht Geld von Humana: Dr. Walther Graf aus Köln, Spezialist für Großschadensereignisse (Düsseldorfer Flughafenbrand, ICE-Unglück Eschede). Er agiert im Hintergrund und hält informellen Kontakt zu den vier Strafverteidigern. Graf hat den Auftrag einzugreifen, sollte die Humana-Geschäftsführung im Zuge der Ermittlungen in den Blickpunkt der Staatsanwaltschaft geraten.
Die Gothaer-Versicherung, die im vergangenen Jahr im Namen Humanas etwa 17 Millionen Euro an 19 israelische Familien gezahlt haben soll, hat angeblich inzwischen geprüft, ob sie die LUFA in Regress nehmen kann. Diese Prüfung sei negativ ausgefallen, heißt es. Dafür, dass die Gothaer auf eine Schadensersatzklage gegen die LUFA verzichtet, soll diese zugesagt haben, sich nicht mehr öffentlich zu dem Fall zu äußern.
In Israel wird unterdessen der Prozess gegen die Manager des Importeurs Remedia vorbereitet. Ihnen wird vorgeworfen, das Produkt nicht selbst untersucht zu haben. Die Möglichkeiten der Verteidigung sind eingeschränkt: Die israelischen Ermittler haben den Beschuldigten untersagt, Kontakt mit deutschen Verfahrensbeteiligten aufzunehmen.

Artikel vom 25.02.2005