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»Legale Vernichtung dauert fort«

Papstbuch »Erinnerung und Identität« - ein Textauszug zum Nachlesen

Bielefeld (WB/rb). Papst Johannes Paul II. soll die Abtreibung mit dem Holocaust verglichen haben. Das beklagen seit einer Woche zahlreiche Kritiker. Seit gestern liegt das Buch »Erinnerung und Identität - Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden« vor. Das WESTFALEN-BLATT dokumentiert die entscheidende Passage - Seite 25 und 26 - ohne Auslassungen mit Genehmigung des Weltbild-Verlages:
Papst Johannes Paul II. bleibt seinem Kurs treu.
»Wenn der Mensch allein, ohne Gott, entscheiden kann, was gut und was böse ist, dann kann er auch verfügen, dass eine Gruppe von Menschen zu vernichten ist. Derartige Entscheidungen wurden z. B. im Dritten Reich gefällt von Menschen, die, nachdem sie auf demokratischen Wegen zur Macht gekommen waren, sich dieser Macht bedienten, um die perversen Programme der nationalsozialistischen Ideologie zu verwirklichen, die sich an rassistischen Vorurteilen orientierten.
Vergleichbare Entscheidungen wurden in der Sowjetunion und in den der marxistischen Ideologie unterworfenen Ländern auch von der kommunistischen Partei getroffen. In diesem Zusammenhang wurde die Ausrottung der Juden und auch anderer Gruppen wie die der Roma, der ukrainischen Bauern und des orthodoxen und katholischen Klerus in Russland, Weißrussland und jenseits des Urals durchgeführt. Entsprechend wurden alle dem Regime unbequemen Menschen verfolgt: z. B. die ehemaligen Kämpfer vom September 1939, die Soldaten der Nationalarmee in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Vertreter der Intelligenz, welche die marxistische oder die nazistische Ideologienicht teilten.
Normalerweise handelte es sich dabei um eine Vernichtung im physischen, manchmal jedoch auch im moralischen Sinne. Dann wurde der Mensch auf mehr oder weniger drastische Weise an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert.
An diesem Punkt kann man es nicht unterlassen, ein Problem anzusprechen, das heute außerordentlich aktuell und schmerzlich ist.
Nach dem Sturz der Regime, die auf den Ideologien des Bösen aufgebaut waren, haben in ihren Ländern die eben erwähnten Formen der Vernichtung de facto aufgehört. Was jedoch fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen. Und diesmal handelt es sich um eine Vernichtung, die sogar von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen ist, in denen man sich auf den zivilen Fortschritt der Gesellschaften und der gesamten Menschheit beruft.
Und auch an anderen schweren Formen der Verletzung des Gesetzes Gottes fehlt es nicht. Ich denke z. B. an den starken Druck des Europäischen Parlaments, homosexuelle Verbindungen anzuerkennen als eine alternative Form der Familie, der auch das Recht der Adoption zusteht. Es ist zulässig und sogar geboten, sich zu fragen, ob nicht hier - vielleicht heimtückischer und verhohlener - wieder eine neue Ideologie des Bösen am Werk ist, die versucht, gegen den Menschen und gegen die Familie sogar die Menschenrechte auszunutzen.«

Artikel vom 24.02.2005