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»Irgendwie kriegt man
das nicht in den Kopf«

»Sophie Scholl - Die letzten Tage« heute in den Kinos

München/Ulm (dpa). Ganz ruhig liegt Sophie Scholl auf der Guillotine. Das Fallbeil stürzt hinab und die Leinwand wird schwarz. Bedrücktes Schweigen herrscht im Kinosaal, bevor Applaus losbricht.

Tief bewegt zeigen sich die etwa 2500 Schüler bei der offiziellen Deutschlandpremiere in München von »Sophie Scholl - Die letzten Tage«. Ähnliche Reaktionen und Beklommenheit herrschen auch bei einer Aufführung in einer Neu-Ulmer Realschule mit der 84-jährigen Schwester von Sophie Scholl, Elisabeth Hartnagel-Scholl, als Gast. Der Film kommt heute bundesweit in die Kinos.
In München gibt es Bravo-Rufe für Nachwuchsschauspielerin Julia Jentsch. Für ihre Rolle als NS-Widerstandskämpferin hatte die 27-Jährige auf der Berlinale den Silbernen Bären als beste Hauptdarstellerin erhalten. In dem Film zeichnet der ebenfalls mit einem Silbernen Bären bedachte Regisseur Marc Rothemund die letzten sechs Tage der »Weiße Rose«-Kämpferin Sophie Scholl und ihres Bruders Hans, gespielt von Fabian Hinrichs, nach.
Nach der Vorstellung stehen die Schüler in kleinen Grüppchen im Kinofoyer. Manche diskutieren eifrig, andere schweigen mit verweinten Augen. »Das hat mich echt mitgenommen«, sagt die 15-jährige Rebekka Schacht aus Moosburg. Die Realschülerin hat die »Weiße Rose« kurz vorher im Geschichtsunterricht durchgenommen, »aber jetzt kann ich mich viel besser reinversetzen«. »Ich weiß nicht, ob ich so mutig gewesen wäre wie Sophie«, fügt ihre Freundin Isabella Hödl zu. »Immerhin hat sie damit ihr Leben aufs Spiel gesetzt.« »Irgendwie kriegt man das gar nicht in den Kopf, was damals in Deutschland abgegangen ist«, sagt der 14-jährige Nick Schumacher.
Gerade aus diesem Grund sei »Sophie Scholl« ein »brennend aktueller Film«, sagt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Der Gründer der »Weiße Rose-Stiftung«, Franz Müller nennt den Film »sehr eindrucksvoll und differenzierter als bisherige Verfilmungen«. Müller war als Jugendlicher ebenfalls Mitglied der »Weißen Rose« und wurde 1943 vom so genannten Volksgerichtshof als damals »unreifer Bursche« zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. »Ich habe die Gestapo-Verhöre ja selbst mitgemacht. Der Film ist sehr realistisch«, sagt Müller.
Elisabeth Hartnagel-Scholl hat der Film insgesamt gefallen. Sie müsse immer an den schrecklichen Tod ihrer Geschwister denken - »aber es leuchtet auch unsere unbeschwerte Kindheit und Jugend bei unseren toleranten Eltern«. Robert und Magdalena Scholl lebten mit ihren fünf Kindern einige Jahre in Ulm.

Artikel vom 24.02.2005