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Dramatik in der Loipe

Deutsche Kombinierer gewinnen WM-Team-Silber

Oberstdorf (dpa). Gerannt, gebangt, gesprintet und mit Silber belohnt: Die deutschen Kombinierer haben gestern mit einer unglaublichen Energieleistung in der Loipe ihre WM-Silbermedaille von Val di Fiemme verteidigt, den ganz großen Wurf wie 1987 an gleicher Stelle aber verpasst.

Am Ende fehlten Einzel-Weltmeister Ronny Ackermann nach einem dramatischen Sprint auf der Zielgeraden sieben Sekunden, um nach 18 Jahren erstmals wieder den WM-Titel im Teamwettbewerb nach Deutschland zu holen. Den sicherte sich Norwegen, dessen Schlussläufer Kristian Hammer bereits auf der Zielgeraden tanzend feierte und von 20 000 Zuschauern bejubelt wurde.
Kaum einer hatte nach dem Springen noch einen Pfifferling auf das deutsche Quartett gesetzt. »Es gab keinen Ausreißer nach unten, aber auch keinen nach oben«, analysierte Bundestrainer Hermann Weinbuch die Leistungen von Sebastian Haseney, Georg Hettich, Björn Kircheisen und Ackermann auf der großen Schattenbergschanze.
Trotz einer technischen Neuerung - die DSV-Athleten traten mit Eisschnelllaufanzügen unter der Springerkleidung an, um ein besseres Gefühl in der Luft zu erhalten - gelangen keine Wundersprünge. »Wir haben das Gold auf der Schanze liegen lassen«, gestand dann auch Sprungtrainer Andreas Bauer, und Weinbuch fügte an: »Wir hätten ein Traumergebnis im Springen benötigt.« 1:26 Minuten Rückstand auf Norwegen und 1:05 auf den eigentlichen Favoriten Österreich schienen viel zu viel, zumal auch noch die laufstarken Finnen vor Deutschland platziert waren.
Doch dann begann die Hatz durch die Loipen in Ried. Haseney wollte mit Macht auf Finnland auflaufen. »Am Anfang war es der Hammer, doch dann wurde es dunkel um mich, weil ich so blau war«, gestand der Thüringer, der 28 Sekunden auf das führende Duo aufholte. Auch der eigentlich am schwächsten eingeschätzte Hettich lief das beste Rennen dieser Saison: »Diese Kulisse hat mich wahnsinnig beflügelt. Ich wusste nach zehn Sekunden, dass es super laufen wird.«
Er übergab als Vierter an Kircheisen, der wie eine Rakete durch den Wald schoss. Aus 22,5 Sekunden Rückstand machte der WM-Zweite sieben Sekunden und Rang zwei. »Meine Medaille hat mir noch mal zusätzlichen Antrieb gegeben. Ich bin einfach gut in Form«, beschrieb der sechsmalige Junioren-Weltmeister seinen 5-km-Lauf, mit dem er eine Steilvorlage für Ackermann gab. Doch der Weltmeister war diesmal nicht so frisch wie im Einzelrennen. »Ich bin übermäßig schnell losgegangen, wollte auf Gold gehen. Aber dann bin ich auch schnell blau gegangen«, keuchte der Dermbacher, der seinen Rivalen Felix Gottwald (Österreich) aufschließen lassen musste. Doch beide waren sich in der Verfolgung von Hammer nicht einig, so dass dieser seinen Vorsprung ins Ziel rettete.
Dahinter gab es Dramatik pur. Erst auf den letzten Metern zog Ackermann noch an Gottwald vorbei. »Man darf Ronny eben nicht abschreiben«, jubelte Weinbuch. »Die Zuschauer haben mich über die Linie getrieben«, bedankte sich Ackermann beim Publikum.
Ein Abschied auf Raten von René Sommerfeldt, ein »Bye, bye, Oberstdorf« von Evi Sachenbacher: Die beiden Galions-Figuren des deutschen Skilanglaufs haben ausgerechnet bei der WM einen Tiefpunkt ihrer Karrieren erlebt und Oberstdorf verlassen. Während man bei Sommerfeldt noch an eine Rückkehr zum 50-km-Rennen am Sonntag glaubt, ist für die Staffel-Olympiasiegerin die WM vorzeitig beendet.

Artikel vom 24.02.2005