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Unschuldig im Fadenkreuz des BKA

Wie eine Bauern-Ehepaar aus dem Kreis Gütersloh in der Visa-Affäre unter Verdacht geriet

Von Christian Althoff
Gütersloh (WB). Eine unbescholtene Landwirtsfamilie aus dem Kreis Gütersloh ist in der Visa-Affäre ins Fadenkreuz des Bundeskriminalamtes (BKA) geraten. Den Eheleuten wurde vorgeworfen, an der Schleusung von Prostituierten und Schwarzarbeitern beteiligt gewesen zu sein.

Das Ehepaar wirbt mit »Ferien auf dem Bauernhof« und hat zahlreiche Zimmer für Pensionsgäste eingerichtet. Im Sommer 2000 meldete sich ein Diplom-Ingenieur, der Holzhäuser aus der Ukraine importiert. Er gab an, eine Rundreise für 46 Ukrainer organisiert zu haben und für diese Gruppe für sechs Tage ein Quartier zu suchen. »Natürlich haben wir zugesagt«, erinnert sich die Bäuerin. Sie setzte sich damals an ihren Computer und schrieb die Buchungsbestätigung, in der sie die 46 Namen der angeblichen Touristen nebst deren Geburtsdaten auflistete.
Diese Buchungsbestätigung schickte der Diplom-Ingenieur nach Kiew - zusammen mit der gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung, alle Kosten für die Ukrainer zu übernehmen. Außerdem fügte er ein Programm der von ihm angeblich ausgearbeiteten Busrundreise bei. Sie sollte am 23. September 2000 im westukrainischen Lviv beginnen und in den Kreis Gütersloh führen. Von hier aus waren Tagesausflüge nach Münster, Osnabrück, Bielefeld und ins Rheinland geplant, wo der Kölner Dom und die Düsseldorfer Altstadt besichtigt werden sollten. Für den 30. September stand die Rückfahrt auf dem Programm.
Der Bauer: »Meine Frau hatte die Zimmer vorbereitet, aber die Ukrainer sind nie angekommen. Wir haben das damals auf die Unzuverlässigkeit geschoben, die bisweilen in Osteuropa anzutreffen ist. Als uns das ganze ein paar Wochen später mit einer 27-köpfigen Gruppe aus der Ukraine erneut passierte und der Diplom-Ingenieur uns keine schlüssige Erklärung geben konnte, ahnten wir, schon, dass etwas nicht stimmte.«
Gewissheit erhielt der Bauer, als ihn nachts der Bundesgrenzschutz aus Frankfurt an der Oder telefonisch aus dem Schlaf riss. »Die sagten, da stehe eine Reisegruppe an der Grenze, die auf unseren Hof wolle und eine entsprechende Buchungsbestätigung vorgezeigt habe. Die hatten wir aber nie ausgestellt«, erzählt der Landwirt. Er sei deshalb am nächsten Tag zur Polizei gegangen, um die Sache anzuzeigen, aber die Beamten hätten ihn wieder nach Hause geschickt: »Die sahen keinen Grund, etwas zu unternehmen.«
Die Sache ließ den Bauern allerdings nicht ruhen. Er wandte sich ans Ausländeramt des Kreises Gütersloh (»Der Beamte zuckte nur mit den Schultern«) und versuchte mehrfach, die deutsche Botschaft in Kiew zu erreichen: »Aber da ging niemand ans Telefon.«
Während das Bauernehepaar noch über den Fall grübelte, wurde längst gegen die beiden ermittelt. Der Bundesgrenzschutz hatte nämlich einen Schleuser festgenommen, der mit seinem Kleinbus zwölf Ukrainer als Schwarzarbeiter nach Italien bringen wollte. Vier hatten ihr Visum von der deutschen Botschaft in Kiew erhalten, nachdem sie dort eine Einladung des Dipolm-Ingenieurs und eine offenbar gefälschte Buchungsbestätigung des Bauernehepaares vorgelegt hatten.
Am 3. Oktober 2002 standen schließlich Kripobeamte aus Gütersloh mit einem Durchsuchungsbeschluss auf dem Bauernhof. »Wir wurden verdächtigt, Prostituierten und Schwarzarbeitern die Einreise nach Europa ermöglicht zu haben«, erinnert sich die Bäuerin kopfschüttelnd. Die Polizisten hätten damals Aktenordner mitgenommen und den Computer ausgewertet.
Im »Wostok«-Sonderbericht des Bundeskriminalamtes über Schleusernetzwerke, der 2003 verfasst worden war, tauchen die Namen der Eheleute noch auf, ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden ist allerdings inzwischen eingestellt worden.
Auch das Verfahren wegen Betruges gegen den Diplom-Ingenieur aus dem Kreis Gütersloh, der die angeblichen Busrundreisen organisiert und die Zimmer auf dem Bauerhof gebucht hatte, hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld jetzt wegen Geringfügigkeit eingestellt. Der Landwirt: »Wir haben den Eindruck, dass dieser Mann von irgendwelchen ukrainischen Hintermännern ebenso missbraucht worden ist wie wir. Denn als wir damals auf die erste Reisegruppe warteten, hatte er zur Begrüßung der Ukrainer Berge von Brot, Käse, Schinken und Gurken herangeschafft. Das hätte er wohl kaum getan, wenn er gewusst hätte, dass die Ukrainer nicht ankommen, sondern nach Italien weiterreisen.«

Artikel vom 26.02.2005