23.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Trapezkünstler
mit Fangnetz

Spannung vor Oscar-Verleihung

Von Barbara Munker
Hollywood (dpa). Eine Oscar-Kategorie »bester Moderator der Gala-Show« gibt es nicht. Dennoch ist Hollywood gespannt, ob Chris Rock als neuer Zeremonienmeister eine goldene Trophäe oder eine rote Karte verdient.
Schauspieler Chris Rock moderiert.Fotos: dpa
»Untergang«-Regisseur Oliver Hirschbiegel hofft.

Der freche Stand-Up-Komödiant gibt bei der 77. Verleihung in der Nacht zum Montag sein Oscar-Debüt. Die ganze Welt will er zum Lachen bringen, verspricht Rock, doch viele zittern schon vor seinem Witz, der gerne unter die Gürtellinie und an den Kragen der großen Stars geht. Gut, dass die Oscar-Show mit fünf Sekunden Verzögerung für die Eingriffe der Zensoren übertragen wird, lästerte der Afroamerikaner vorab. Als »Trapezkünstler« freue man sich über dieses Fangnetz.
Der Wirbel um einen neuen Oscar-Look und frischen Wind für die »zu steife« Show, wie Chef-Produzent Gil Cates es verspricht, hält Hollywood genauso in Atem, wie das mögliche Duell von »Aviator« und »Million Dollar Baby«. Im Wettkampf um höhere Einschaltquoten und jüngere Zuschauer sind kleine Streitereien vor dem Oscar-Countdown gerade recht. So tönten Protestrufe aus der ehrwürdigen Akademie über die neuen Regeln für einen »strafferen Ablauf«, wonach einige Gewinner in den technischen Sparten ihren Oscar nicht auf der Bühne sondern am Sitz erhalten sollen.
Dieses Schicksal bleibt Clint Eastwood und Martin Scorsese erspart, denn die wichtigen Oscars holt man sich nach alter Tradition auf der Bühne ab. Dass einer der beiden Hollywood-Veteranen den Regie-Oscar gewinnt, ist so gut wie sicher. Mit 11 Nominierungen tritt Scorseses Filmbiografie »Aviator« mit Leonardo DiCaprio als großer Oscar-Favorit an. Eastwoods »Million Dollar Baby« um Leben und Sterben einer Profi-Boxerin steigt mit sieben Nominierungen in den Ring. Kandidaten mit mehrfachen Gewinnchancen sind die Peter-Pan-Fabel »Wenn Träume fliegen lernen«, »Ray« über den blinden Soul- Sänger Ray Charles und die Tragikomödie »Sideways«.
Nach sieben Nominierungen, darunter für »GoodFellas« und »Gangs of New York«, ist ein erster Oscar für Scorsese längst überfällig, doch Eastwood hat Kampfvorteile, glauben die Kritiker.
Die Fantasy-Vorherrschaft wird in diesem Jahr von wahren Schicksalen und historischen Figuren abgelöst. Zu Ray Charles und Howard Hughes gesellen sich der schottische Autor James M. Barrie (»Wenn Träume fliegen lernen«), die wahre Geschichte eines Hotelbesitzers, der während des Völkermords in Ruanda Menschen rettet (»Hotel Ruanda«) - sowie die deutsche Oscar-Hoffnung »Der Untergang«, in dem Regisseur Oliver Hirschbiegel eindrucksvoll die letzten Tage in Hitlers Führerbunker schildert.

Artikel vom 23.02.2005