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Kosten sparen
in Armenien

Lycos: Wir schaffen 2006 die Wende

Von Bernhard Hertlein
Frankfurt/Gütersloh (WB). 2005 soll das letzte Jahr sein, in dem Lycos Europe Verlust erwirtschaftet. Dieses Ziel bekräftigte der Vorstandsvorsitzende Christoph Mohn auf der gestrigen Bilanzpressekonferenz des Unternehmens in Frankfurt.

Zugleich erneuerte er die Ankündigung, die Aktiengesellschaft werde 2007 einen Umsatz von 100 Millionen Euro allein mit bezahlten Diensten und Shopping-Angeboten im Internet erzielen.
Im vergangenen Jahr erreichten diese Geschäftsbereiche 32 Millionen - bei einem Gesamtumsatz von etwas mehr als 100 Millionen Euro. Der Jahresfehlbetrag von Lycos verbesserte sich zwar um 19 Prozent; er erreicht aber immer noch über das ganze Jahr gesehen mehr als 43 Prozent des Umsatzes. Wie hoch der Verlust 2005 sein wird, ließ Mohn offen. Im ersten Quartal werde er mit 9,9 Millionen Euro wieder geringfügig sinken.
Auf dem Weg zur weiterhin angestrebten Profitabilität hat Lycos vor kurzem ein Kostensparprogramm aufgelegt, dem - wie berichtet - 200 der 850 Stellen in Westeuropa zum Opfer fallen werden. Etwa 60 Jobs werden in den Ländergesellschaften Niederlande, Belgien und Spanien verloren gehen. Außerdem werden ein Teil der Entwicklungsabteilung, das Monitoring der Server sowie Verwaltungsarbeiten etwa bei der Abwicklung von Anzeigenaufträgen nach Armenien verlagert. Dort betragen die Gehaltskosten nur etwa ein Sechstel dessen, was in Gütersloh bezahlt wird.
Trotz höherem Management- und Transportaufwand betragen die Einsparungen Mohn zufolge zwischen 50 und 60 Prozent. Er erwartet, dass Lycos bis Jahresende 100 bis 200 Mitarbeiter in Armenien haben wird. Am Standort Gütersloh sollen im Rahmen des Kostensparprogramms nicht mehr als 20 der 246 Arbeitsplätze wegfallen. Die Ausgaben für Abfindungen usw. werden die Lycos-Bilanz vor allem im ersten und zweiten Quartal 2005 belasten.
22 Millionen - jeder fünfte Internet-Nutzer in Europa - landen mindestens einmal im Monat auf der Internetseite von Lycos. Mit 4,5 Millionen Teilnehmern ist der Lycos-Chat europaweit die Nummer Eins. Dass die Werbeumsätze - immerhin 41,3 (Vorjahr: 43,4) Prozent des Umsatzes - trotzdem 2004 zurückgingen, hängt nach Angaben Mohns mit einer zur Jahresmitte zeitweise deutlich verringerten Reichweite des Internetportals zusammen. Zu dem Zeitpunkt seien aus Jugendschutzgründen zahlreiche Erotik-Links gestrichen worden.
Neuen Schub für den Verkauf von Internet-Anschriften (»Domains«) erwartet Lycos mit der für Ende 2005 geplanten Freischaltung der »-.eu«-Adressendungen. Bei der Einführung von Umlauten (ä, ü, ö) zog Lycos immerhin jeden fünften Adressauftrag an sich.
Nicht die Erwartungen erfüllt hat das Internet-Zugangsgeschäft. In Deutschland ist das Angebot von DSL-Anschlüssen für Lycos noch ein Zuschussgeschäft. S. 4: Kommentar

Artikel vom 23.02.2005