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Auch die Bundeswehr
mit Bielefelder »Kind«

Verletztenanhängekarte bei Rettung lebensnotwendig

Von Uwe Koch und
Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Sie ist aus (umweltverträglichen) Polypropylen rettet im Ernstfall Menschenleben, beim »Massenanfall von Verletzten« verhindert sie garantiert ein Chaos: Die Verletztenanhängekarte im Bielefelder Rettungsdienst ist einmalig in Deutschland. Jetzt hat auch die Bundeswehr das Bielefelder Produkt übernommen.

Aus großen Katastrophen lernen und die notwendigen Schlüsse ziehen - der Bielefelder »Arbeitskreis Massenanfall von Verletzten, Erkrankten und Betroffenen« (AK ManV) hat wohl die richtigen Konsequenzen aus Ereignissen wie der Flugschaukatastrophe in Ramstein (1988) oder dem Zugunglück in Eschede (1998) gezogen: Hilflos irrten Rettungsdienste, Helfer, Verletzten und Angehörige seinerzeit umher; wochenlang waren Betroffene in Kliniken nicht identifiziert, Angehörige waren verzweifelt. Auch in Bielefeld wurden nach dem ICE-Unfall von Eschede zwei nicht identifizierte Schwerverletzte über Tage hinweg medizinisch behandelt.
Notarzt Dr. Michael Korth, Mitglied im Arbeitskreis: »Mit unserer Verletztenanhängekarte ist die Frage schnell beantwortet und die Identifizierung kein Problem.« Die beidseitig bedruckte Karte enthält einen Schuber mit fünf farbigen Kärtchen. Vor Ort werden Verletzte in Windeseile damit registriert und katalogisiert, bevor es mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus geht. Die Symbole: Rot bedeutet »akute Vitalgefährdung; Geld steht für »schwer verletzt«; Grün heißt leichte Verletzung. Blau signalisiert »keine Überlebenschance« und Schwarz steht für Tote. Zudem weden medizinische Anweisungen und therapeutische Empfehlungen notiert.
»Parallel zur Katalogisierung werden die Kliniken im Ernstfall abgefragt, wo es welche Kapazitäten gibt«, sagt Michael Korth. Auch das ist eine Lehre aus fatalen Fehlern, die in Ramstein und Eschede noch gemacht wurden. »Wir puffern ab, kein Kranker oder Verletzter wird blind abgefahren.« Vor Ort bleibt ein Abriss der Karte, jeder Patient behält die restliche Verletztenanhängekarte bis zur Endversorgung. Rettungsdienstfahrer erhalten von der Karte einen weiteren Abriss, der dann mit der Dokumentation im Krisenstab abgeglichen werden kann.
Dr. Michael Korth ist wie seine Kollegen vom Arbeitskreis stolz auf die Bielefelder Erfindung: »Das ist unser Kind«, freut sich Korth, »und das ist über die Region hinaus zum Selbstläufer geworden.« Nicht auszudenken, wieviel Menschen bei Katastrophen großen Ausmaßes geholfen werden kann.
Die Bundeswehr hat jedenfalls vor wenigen Monaten die Anhängekarte aus Bielefeld übernommen. »Wir haben bei allen Auslandsaufenthalten - so auch in Afghanistan und im Kosovo - die Verletzenanhängekarte zur Pflicht gemacht«, erklärte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums dem WESTFALEN-BLATT.

Artikel vom 23.02.2005