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»Gelder aus Deutschland kommen an«

Wieczorek-Zeul: Deutschland wird kein Opfer vergessen - Noch immer steigt Zahl der Toten

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Auch Ex-Präsidenten wie Bill Clinton und George Bush senior können irren: »Wir dürfen die Menschen und Orte nicht vergessen, nur weil die Kameras nicht da sind«. Das Gegenteil stimmt: Die Hilfe fließt ungebrochen und in reichem Maße.

Acht Wochen nach der Flutkatastrophe in Asien mit 300 000 Toten stellt die Uno zufrieden fest, drei Viertel der versprochen 900 Millionen Dollar Soforthilfe sind verfügbar. Das sei weit mehr und schneller als bei früheren Hilfsaktionen, sagte der für Humanitäre Angelegenheiten zuständige Vize-General Jan Egeland dem »Spiegel«. Das WESTFALEN-BLATT bestätigt das im Kleinen und für eine ganze Region, die wie tausende andere Städte, Kreise und Bezirke mit ganzem Herzen gibt. Diese Sonderseite bietet einen eindrucksvollen Beleg.
Für den Wiederaufbau in den am schwersten getroffenen Ländern fehlen in der Tat noch 3 Milliarden Euro. Aber noch nie standen die Chancen auch so gut, dass der langfristige Gesamtbedarf von mehr als 10 Milliarden Euro aufgebracht werden kann, auch wenn der Weg dahin weit ist.
Noch immer steigen die Opferzahlen, werden weitere Leichen gefunden, Vermisste registriert. Allein in Banda Aceh musste die Statistik in dieser Woche um 4000 auf 127 414 Tote nach oben korrigiert werden. Die Zahl der Vermissten wird jetzt mit 116 368 beziffert, das ist eine Steigerung um mehr als 104 000 Schicksale.
Die schwierige Identifizierung deutscher Flutopfer kommt unterdessen langsam besser voran. Das internationale Expertenteam, darunter Fachleute des Bundeskriminalamts, hat jetzt 80 Deutsche identifiziert. Die Zahl der offiziell als vermisst gemeldeten Deutschen sank leicht auf 537.
»Wir werden im Wiederaufbauprozess bei Ihnen bleiben«, betonte noch am Montag Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek- Zeul (SPD) bei einem Gespräch mit dem Finanzminister Sri Lankas, Sarath Amunugama, in Colombo. »Wir werden niemanden vergessen, der unter dem Tsunami gelitten hat.« Amunugama bedankte sich ausdrücklich bei den Deutschen und bei der Bundesregierung für die Hilfe an sein Land. Allein in Sri Lanka kamen bei der Flutkatastrophe nach offiziellen Angaben 40 000 Menschen ums Leben.
Immer noch als »dramatisch« schätzt Wieczorek-Zeul die Lage in den betroffenen Gebieten Sri Lankas ein. Die Einheimischen bemühten sich sehr, das Land für Touristen wieder attraktiv zu machen, betonte sie: »Ich denke, dass man in absehbarer Zeit wirklich sagen kann: Es macht Sinn, da seinen Urlaub zu verbringen.« Den Menschen wäre am meisten geholfen, wenn die Wirtschaftskraft im Land wieder gestärkt würde.
Die Ministerin sagte, sie habe deutlich gemacht, dass Deutschland über die bisherige entwicklungspolitische Zusammenarbeit hinaus Verantwortung beim Wiederaufbau übernehmen wolle.
Besonders gelte das bei der Wiederherstellung der Wasserversorgung. Sie betonte, die Hilfe aus der Bundesrepublik erreiche die Bevölkerung. »Die deutschen Hilfsgelder kommen ganz eindeutig bei den Betroffenen an«, sagte Wieczorek-Zeul. »Wir geben keine Budget-Hilfe, sondern finanzieren Projekte, deren Fortschritt wir selber vor Ort feststellen können.«
Für die in Bonn ansässige »Deutsche Welthungerhilfe«, nur eine von mehreren großen Hilfsorganisationen, nennt Marion Aberle Beispiele praktischer Hilfe: »Gegen vier Euro erhält in Indien eine fünfköpfige Familie Kochgeschirr, für 12 Euro Planen und Material für eine Notunterkunft, für 13 Euro Reis und Bohnen für einen ganzen Monat.«
Ein Überlebenspaket mit Reis, Linsen und wichtigen Haushaltsgegenständen gibt es für 35 Euro. Ein einfaches Fischerboot kostet 210 Euro, ein großes Fischerboot 700 Euro, ein Satz Fangnetze 125 Euro und ein Steinhaus 1000 Euro. Das karge Fertighaus hat weder Wasser noch Stromanschluss, ist für die Menschen aber das Größte.

Artikel vom 23.02.2005