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Hartz-IV-Korrekturen gefordert

Gewerkschaften setzten sich beim Kanzler für Konjunkturprogramm ein

Berlin (AP). Bei einem Spitzentreffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder haben die Gewerkschaften gestern ihre Kritik an der Arbeitsmarktreform Hartz IV bekräftigt und Korrekturen angemahnt.

DGB-Chef Michael Sommer erklärte gestern im Anschluss an die knapp zweistündige Unterredung, dass der Meinungsaustausch fortgesetzt werden müsse. Der Kanzler sehe die Probleme in Teilen ähnlich wie die Gewerkschaften. Er wolle aber noch die weitere Entwicklung abwarten.
Die Gewerkschaften machten im Kanzleramt auf Verdrängungseffekte durch die Arbeitsmarktreform etwa bei den Ein-Euro-Jobs aufmerksam. Ein nächstes Treffen zwischen Schröder und den Gewerkschaftsvorsitzenden wurde in zwei Monaten vereinbart.
Außerdem sollen die Gespräche über die EU-Dienstleistungsrichtlinie intensiviert werden. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bundesregierung und Gewerkschaften wurde beschlossen.
Die Regierung habe die Zusage gegeben, dass Schichtarbeiter- und Überstundenzuschläge auch künftig nicht besteuert werden sollen, hieß es. An der Unterredung im Kanzleramt nahmen außer Sommer auch die Chefs der Einzelgewerkschaften teil.
Die Gewerkschaften riefen den Bundeskanzler auf, durch ein Programm die Binnenkonjunktur anzukurbeln. »Wir brauchen mehr Wachstum, und deshalb plädieren auch immer mehr Ökonomen dafür, die Konjunktur anzukurbeln«, erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Bei den Ein-Euro-Jobs müsse man aufpassen, dass keine regulären Arbeitsplätze verdrängt würden. »Um Missbrauch zu vermeiden, schlagen wir vor, bei den Arbeitsagenturen Beiräte zu installieren, in denen Kommunen, Gewerkschaften und lokale Wirtschaft vertreten sind«, sagte Engelen-Kefer.
Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, sprach sich für ein höheres Arbeitslosengeld II aus. »Wir haben zudem noch keine Definition für die Frage der Zumutbarkeit von neuen Jobs, in die Langzeitarbeitslose vermittelt werden können«, sagte er.
Zugleich forderte Schmoldt die Gewerkschaften auf, ihr Profil zu schärfen. Die Gewerkschaften seien das »soziale Gewissen« des Landes. Diese Position müsse deutlicher werden, sagte er. Das Treffen zwischen den Gewerkschaftern und dem Bundeskanzler war bereits im vergangenen Sommer verabredet worden. Damals hatten beide Seiten vereinbart, im Februar eine erste Bilanz der Auswirkungen der Arbeitsmarktreform zu ziehen.
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) forderte von der Regierung ein größeres Engagement für ältere Arbeitnehmer. »Fakt ist, dass der Bund und die Bundesregierung - auch die Arbeitgeber sind hier in der Pflicht - endlich mal Arbeitsplätze für Ältere anbieten müssen«, sagte NGG-Chef Franz-Josef Möllenberg. Die EU hat als Ziel ausgegeben, bis 2010 die Hälfte der Erwerbsfähigen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren in Beschäftigung zu bringen. Mit einer Quote von 38 Prozent liege Deutschland im unteren Mittelfeld, sagte Sebastian Schief vom Institut für Arbeit und Technik.
Sommer hatte vor kurzem in einem Interview auch Fehler beim Umgang mit der Reformagenda eingeräumt. Im Sommer hatten die Gewerkschaften noch einen Konfrontationskurs gegen Hartz IV gefahren und zählten zu den Organisatoren von Protestdemonstrationen. Die jüngsten Äußerungen Sommers wurden im Kanzleramt als Ankündigung für einen Kurswechsel des DGB gewertet.

Artikel vom 25.02.2005