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Mädchen überlebt Tollwut-Infektion

Methode aus den USA schlägt bei Rentner (70) aus Detmold nicht anÊ

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Der Detmolder Rentner (70), der eine Niere einer an Tollwut erkrankten Organspenderin bekommen hatte, ist tot. 52 Tage nach der Transplantation erlag der Patient gestern im Nieren-Transplantationszentrum Hannoversch Münden dem tödlichen Virus.

Die Ärzte in Hannoversch Münden hatten bis zuletzt um das Leben des Mannes gekämpft. Dabei setzten sie den Wirkstoff Ribavirin ein, mit dem im vergangenen Jahr in den USA die 15-jährige Schülerin Jeanna G. gerettet werden konnte. Das Mädchen ist am 1. Januar aus dem Krankenhaus entlassen worden und soll der weltweit erste Mensch sein, der eine Tollwut-Infektion ohne vorherige Schutzimpfe überlebt hat.
Jeanna war ihre Tierliebe zum Verhängnis geworden: Sie hatte im September in der Kirche ihrer Heimatstadt eine Fledermaus entdeckt und das Tier draußen freigelassen. Dabei hatte die Fledermaus der Schülerin einen winzigen Biss zugefügt. Vier Wochen später traten die ersten Symptome auf - das Mädchen war benommen, eine Hand wurde taub. Die Ärzte diagnostizierten Tollwut und legten Jeanna im Kinderhospital von Wisconsin ins Koma, um ihren Körper zu schonen. Dann verabreichten sie der Schülerin Interferon, was die Immunabwehrkräfte stärken sollte, und Ribavirin - ein Medikament gegen Viren, das gewöhnlich bei Hepatitis C eingesetzt wird.
Nach Rücksprache mit dem amerikanischen »Center for Disease Control«, das den Fall der Schülerin beobachtet hatte, entschieden sich die deutschen Ärzte in der vergangenen Woche, die sechs Organempfänger ebenfalls mit Ribavirin-Infusionen zu versorgen. Arndt Schweizer, Sprecher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH): »Unser Problem war allerdings, dass wir es im Gegensatz zu den amerikanischen Medizinern nicht mit einem ansonsten kerngesunden Patienten zu tun hatten, sondern mit Organempfängern.« So habe man den Kranken kein Interferon zur Stärkung der Immunabwehr geben können, weil die Patienten dann sofort das neue Organ abgestoßen hätten. »Wir konnten also nur auf den Wirkstoff Ribavirin setzen, und der alleine hat nicht geholfen.«
So war bereits am Samstag jene Frau in der Medizinischen Hochschule Hannover gestorben, die die Lunge der tollwutkranken Organspenderin bekommen hatte. Mit dem Detmolder Rentner starb gestern Mittag der zweite Organempfänger. In Marburg ringt derzeit noch ein Diabetiker mit dem Tod, der die zweite Niere und die Bauchspeicheldrüse der Frau bekommen hatte. Bislang ohne Symptome sind zwei Patienten, denen die Augenhornhäute transplantiert worden waren, und ein Mann, der die Leber bekommen hatte. Er soll allerdings gegen Tollwut geimpft gewesen sein.
Klinikchef Dr. Volker Kliem, der den Detmolder Patienten bis zuletzt behandelt hatte, erklärte gestern: »Bei aller Tragik dieses Falles darf nicht vergessen werden, dass wir seit 1963 in Deutschland 70 000 Organe verpflanzt haben und dies die erste Tollwut-Infektion gewesen ist. Ein Restrisiko wird es immer geben.«
Der Bielefelder Neurologe Prof. Dr. Dierk Dommasch, der 1974 zusammen mit anderen Ärzten vergeblich versucht hatte, einen Tollwut-Patienten zu retten, verwies darauf, dass die tödliche Krankheit gar nicht so weit entfernt lauert: »Wer in der Türkei Urlaub macht, sollte wissen, dass dort jeder Straßenhund mit Tollwut infiziert sein kann.« Schutz biete eine Impfe gegen Tollwut, die in der Regel gut verträglich sei, sagte der Arzt. Tollwut-Impfen gehörten allerdings nicht zur Standard-Immunisiserung.www.dso.de

Artikel vom 22.02.2005