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Der Tiger beißt wieder

Michalczewskis Plan: erst Tiozzo, dann Jones Jr.

Von Oliver Kreth
Hamburg (WB). Normalerweise ist Dariusz Michalczewski süchtiger als italienische Machos und israelische Jugendliche. Das Handy klebt ständig an einem seiner Ohren. Doch momentan lebt der Mann fast Handy-abstinent. Außerdem kein Alkohol und Frauengeschichten.

Zeit für lange Gespräche nimmt er sich derzeit nicht, das erinnert fast an seinen Intimfeind Graciano Rocchigiani (»Keen Bock uff Jelaber«), die Konzentration »Dareks« gilt nur diesem Kampf, seinem 50. als Profi. »Mir geht es gut. Ich bin fitter als mit 26. Ich habe eine Superform«, nuschelt das Halbschwergewicht ins tragbare Telefon.
Für den Fight gegen den französischen WBA-Weltmeister Fabrice Tiozzo an diesem Samstag (22 Uhr/ZDF) hat er sich in Zakopane gequält wie noch nie. Den Feinschliff für sein Comeback nach 16-monatiger Ringpause hat er sich in bewährter Manier mit Trainer Fritz Sdunek im Camp in Hamburg geholt.
In seinem Jubiläumsduell will der 36-Jährige die einzige Niederlage seiner einzigartigen Laufbahn, die er am 18. Oktober 2003 gegen den Mexikaner Julio Cesar Gonzalez hinnehmen musste, wettmachen. »Man lernt aus einer Niederlage mehr als aus einem Sieg«, sagte der in Danzig Lebende, der ebenso wie der Titelverteidiger etwa drei Millionen Euro für das Spektakel in der seit Wochen ausverkauften Color-Line-Arena kassiert.
Während beruflich alles nach Plan läuft - neben dem Boxen tritt er regelmäßig im TV als Fitnesscoach auf und managt seine Firmen in seiner polnischen Heimatstadt -Êbereiten im seine privaten Probleme Kopfschmerzen. Nach der zweiten Scheidung von seiner Jugendliebe Dorota sieht er seine Jungs nicht mehr. Die leben mit der Mutter in Florida. Und haben ihren Vater gar nicht mehr lieb. »Vor allem mein Großer hat das Waschen der schmutzige Wäsche ja mitbekommen. Und er hat sich voll auf die Seite seiner Mutter gestellt. Daran kann ich momentan nichts ändern. Leider. Ich hoffe, nach einer gewissen Zeit renkt sich das wieder ein«, trauert der Papa um das schwer zerrüttete Verhältnis zu seinen Kindern.
Das darf ihn in den maximal zwölf Runden gegen den französichen Titelträger auch nicht beschäftigen. Denn ein Sieg wäre so wichtig, auch weil er die Voraussetzung wäre, um einer anderen »never ending« Boxstory endlich das Happyend-Kapitel hinzuzufügen. Und einige Signale aus den USA deuten darauf hin. Ein anderer Ruheständler hat nämlich eine mögliche Rückkehr in den Ring angekündigt: »Ich finde es toll, dass er noch einmal auf den WM-Thron zurückkehren will. Und ich drücke ihm dafür die Daumen«, sagte Box-Rentner und Ex-Weltmeister Roy Jones Jr.
Sollte Michalczewski gewinnen, ergeben sich daraus ganz sicher interessante Konstellationen, meint Jones Jr. vielsagend. Der 36 Jahre alte Faustkämpfer, der für den US-Boxsender HBO als TV-Kommentator beschäftigt ist, meinte zwar: »Mit dem heutigen Stand habe ich meine Karriere zwar beendet. Ich habe mich auch noch nicht wirklich mit dem Gedanken beschäftigt, was wäre wenn. Doch man sollte niemals nie sagen. Dariusz Michalczewski ist ein großer, reizvoller Name in der Welt des Boxsports.« Und die Börse für diesen seit Jahren von allen Box-Fans gewünschten Kampf wäre es sicherlich auch.

Artikel vom 26.02.2005