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Tollwut fordert
erstes Todesopfer

Detmolder Rentner kaum zu retten

Detmold/Hannover (ddp/WB). Das Drama um die drei Patienten, die nach einer Organtransplantation an Tollwut erkrankten, hat sich zugespitzt. Eine in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eingelieferte Frau starb am Samstagabend trotz Spezialtherapie.

Der Gesundheitszustand des 70-jährigen Rentners aus Detmold ist nach Angaben der Klinik in Hannoversch Münden unverändert kritisch. Wie berichtet, war dem Mann im Januar die Niere einer an Tollwut erkrankten Frau transplantiert worden. Nur wenig Hoffnung besteht ebenfalls für einen Patienten in Marburg. Bei drei weiteren Organempfängern, von denen zwei in Mainz und einer in Heidelberg behandelt werden, sind bislang noch keine Anzeichen einer Tollwut-Erkrankung aufgetreten.
Alle sechs hatten Organe einer Ende Dezember in einer Mainzer Klinik gestorbenen 26-jährigen Frau erhalten. Die Spenderin hatte sich offenbar während eines Indien-Aufenthaltes unwissentlich mit Tollwut infiziert. Dies war nach der Organentnahme nicht festgestellt worden.
Die Patientin in Hannover starb am frühen Samstagabend, nachdem sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert hatte. Sie sei einem Herzversagen erlegen, teilten die Ärzte der Medizinischen Hochschule gestern Nachmittag mit. Die Frau, deren Alter und Herkunft nicht genannt wurde, habe mehr als eine Woche in tiefem Koma gelegen. Für sie sei es bereits die zweite Lungentransplantation gewesen. Vor 15 Jahren hatte sie im jugendlichen Alter in einer Londoner Klinik ein neues Herz und eine neue Lunge erhalten. Bei ihr wendeten die Ärzte zum ersten Mal eine Therapie aus den USA mit Virusbekämpfungsmitteln an, die bisher nur an einer mit Tollwut infizierten Patientin in Amerika erfolgreich war.
Der hannoversche Todesfall ist der erste in der Geschichte der Bundesrepublik, der durch die Transplantation tollwutverseuchter Organe verursacht wurde. Eine Tollwut-Infektion gilt nach Ausbruch der ersten Symptome als nicht mehr heilbar und verläuft innerhalb weniger Tage tödlich.
Die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnte unterdessen, das Thema Organspende zu diskreditieren: »Dieser Fall ist die extreme Ausnahme. Er darf nicht den Blick dafür verschleiern, dass Tausende Organspender anderen das Leben retten.«
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Günter Kirste, betonte: »Das Tollwut-Risiko ist extrem gering: Bei fast einer Million Transplantationen waren nur zwei Spender unbemerkt infiziert.« Zugleich kündigte er Konsequenzen an. »Die DSO wird mit Virusexperten eine Initiative starten. Wir wollen einen schnell machbaren Tollwut-Test entwickeln.«

Artikel vom 21.02.2005