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Der documenta den
Stempel aufgedrückt

Harald Szeemann erliegt Lungenkrankheit

Von Britta Janssen
Bern/Kassel (dpa). Er war Museumsdirektor, documenta-Leiter und Biennale-Chef: Harald Szeemann, der in der Nacht zum Freitag in Zürich 71-jährig an einem Lungenleiden gestorben ist, gilt als einer der weltweit bedeutendsten Ausstellungsorganisatoren.
Harald Szeemann mischte Hoch- und Trivialkultur.

Allein mit der von ihm 1972 gestalteten Weltkunstschau documenta 5 sicherte sich der rastlose Schweizer nach Ansicht von Kritikern einen Platz im Olymp der Kunsthistoriker. Szeemann fragte damals nach der Verantwortung der Kunst bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme und ließ die bis dahin eher biedere Kasseler Kunstschau zu Skandal und Politikum gleichermaßen werden.
Die documenta 5 hob die Grenzen zwischen Hoch- und Trivialkultur auf und öffnete die Museumstore für Werbung, Kitsch oder Spielzeug. Happenings oder Experimentalfilme traten an die Stelle ordentlich aufgehängter Gemälde. Joseph Beuys betrieb hundert Tage lang ein »Büro der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung«.
Erst vor kurzem wählte die documenta-Stadt Kassel Szeemann für den Preis »Das Glas der Vernunft« aus. Er sollte im Herbst verliehen werden. Szeemann lebte zuletzt im Kanton Tessin.
Zum »Halbgott der europäischen Intelligenz«, wie die »Süddeutsche Zeitung« es formulierte, wurde Harald Szeemann mit drei Ausstellungen, die er seit Mitte der Siebziger produzierte: »Junggesellenmaschinen« (1975), eine Schau zu sadomasochistischen Texten und Maschinenfantasien von Deleuze und Kafka, von Freud und Duchamp, die Präsentation über die Künstlerkolonie »Monte Verità« am Lago Maggiore (1979) und schließlich »Der Hang zum Gesamtkunstwerk« (1983).

Artikel vom 21.02.2005