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»Sophie Scholl« ist bärenstark

Berlinale-Jury vergibt zwei Preise an Hauptdarstellerin und Regisseur

Berlin (dpa). Der erste Goldene Bär für Afrika und gleich zwei Preise für den deutschen Film »Sophie Scholl«: Julia Jentsch wurde zum Abschluss der 55. Berlinale am Samstag als beste Darstellerin ausgezeichnet, Marc Rothemund als bester Regisseur. Der große Überraschungssieger ist aber der südafrikanische Film »U-Carmen eKhayelitsha« von Mark Dornford-May.

»Die Entscheidung ist überhaupt nicht schwer gefallen«, sagte Jury-Präsident Roland Emmerich. Die Wahl der »Carmen«-Verfilmung sei einstimmig gewesen. Die Entscheidung löste in der Film- und Theaterbranche Südafrikas großen Jubel aus. Mit der Filmadaption der Bizet-Oper, die in einem Armenviertel von Kapstadt spielt, setzte sich ein absoluter Außenseiter durch. »Carmen in Khayelitsha« ist der erste Film des Briten Dornford-May, der selbst in Südafrika lebt. Mark Donford-May erzählte, vor seiner Premiere als Spielfilm-Regisseur habe er den Kameramann gefragt, was er tun solle. Dieser habe geantwortet: Setz Dich vor den Monitor, halt den Mund und lass die anderen machen. Hauptdarstellerin und Opernsängerin Pauline Malefane betonte, in Südafrika würden viele gute Filme gemacht. Der Preis werde dazu beitragen, dass die Leute selbstbewusster würden. Neben den beiden herausragenden Filmen aus Südafrika und Deutschland gab es auch viel Schatten. Einhellig stuften Publikum und Kritik den Wettbewerb als mittelmäßig ein.
In dem Film »Sophie Scholl - Die letzten Tage«, der an diesem Donnerstag in die Kinos kommt, geht es um das Verhör und die letzten Tage im Leben der 1943 hingerichteten Widerstandskämpferin und Mitbegründerin der »Weißen Rose«. Während der Filmfestspiele hatte die 27 Jahre alte Jentsch (»Die fetten Jahre sind vorbei«) bereits viel Lob für ihre Darstellung bekommen.
»Überglücklich«, aber auch sichtlich aufgeregt reagierte Jentsch, als Jury-Mitglied Franka Potente am Samstagnachmittag den Preis bekannt gab. Wegen eines Theaterauftritts am Abend in München konnte sie nicht bis zur Verleihung des Silbernen Bären im Berlinale-Palast bleiben. Kulturstaatsministerin Christina Weiss gratulierte mit den Worten, Jentsch und Rothemund repräsentierten »in ganz hervorragender Weise die großen Stärken des deutschen Films«.
Der Große Preis der Jury ging an den chinesischen Beitrag »Peacock«, der den Alltag einer Familie in einer kleinen Provinzstadt von Mitte der 70er Jahre bis Mitte der 80er Jahre in China schildert. Als bester Hauptdarsteller wurde der 19 Jahre alte Amerikaner Lou Taylor Pucci (»Thumbsucker«) in seiner ersten Kinorolle ausgezeichnet.
Einen Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung erhielt der Regisseur Tsai Ming-Liang (Taiwan) für seinen Film »The Wayward Cloud«, der mit seinen bizarren pornografischen Szenen provozierte. Der »Blaue Engel« für den besten europäischen Film ging an den Film »Paradise Now« von Hany Abu-Assad (Palästina) über zwei palästinensische Selbstmordattentäter - eine internationale Koproduktion, die mit 25 000 Euro prämiert wird.
Die Preise wurden am Samstagabend in einer großen Gala im Berlinale-Palast übergeben. Anke Engelke und Festivaldirektor Dieter Kosslick moderierten die Veranstaltung. Engelke, die mit ihrem waghalsigen Ausschnitt mit der chinesischen Schauspielerin und Jury-Angehörigen Bai Ling konkurrierte, nannte Kosslick »den Vater vons Janze, er hat's wieder jut jemacht«.
Als Abschluss des offiziellen Wettbewerbsprogramms lief »Kinsey« mit Liam Neeson in der Rolle des Sexualforschers. Gestern endete die Berlinale nach elftägiger Dauer mit dem Publikumstag, bei dem noch einmal ausgewählte Filme gezeigt wurden. Die Festivalleitung sprach von einem Rekordbesuch mit 180 000 verkauften Tickets für 1100 Kinovorführungen von 343 Filmen. Jury-Präsident Roland Emmerich sprach von anstrengenden Tagen und bekannte: »Ich bin richtig erleichtert, dass es vorbei ist.« Seite 2: Kommentar

Artikel vom 21.02.2005