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Von Portugal bis Kaukasus
Das Jahrhundertspiel »Siedler von Catan« feiert seinen zehnten Geburtstag
Eine Straße in dem Brettspiel »Siedler von Catan« misst 25 Millimeter. Legte man die Straßen aller bislang verkauften Catan-Spiele in Wirklichkeit aneinander, so reichte sie von der portugiesischen Atlantikküste bis ans Kaspische Meer.
Zehn Jahre ist es her, dass Klaus Teuber seine »Siedler von Catan« erstmals auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorgestellt hat. In der Zwischenzeit wurden etwa zehn Millionen Exemplare verkauft. Die Spielregeln sind in 19 Sprachen übersetzt worden, darunter Finnisch, Japanisch und Koreanisch. Die größten Fan-Gemeinden aber hat Catan in Deutschland und in den Niederlanden.
Eine Insel im weiten Meer, noch gänzlich unbewohnt. Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Siedlern. Sie gewinnen Rohstoffe und errichten damit Straßen, Siedlungen und Städte. Doch selten sind die passenden Rohstoffe gleich ausreichend zur Hand. Also versucht man, sich beim Nachbarn einzukaufen. Feilschen und ein bisschen Jammern ist dabei ganz normal.
Neu an Catan ist gleich zu Beginn das variable Spielfeld, das sich aus sechseckigen Kärtchen immer wieder anders zusammensetzen lässt. Ist es dies, was das Siedler-Fieber - ganz ohne Fernsehwerbung - verursacht hat? Die Kritiker kürten Catan zum »Spiel des 20. Jahrhunderts«. Rebecca Gablé schrieb sogar einen Roman über die Siedler.
Vor Catan gab es »Mensch ärgere dich nicht« und »Monopoly«. Es gab »Risiko« und viele andere Spiele, bei denen sich die Kontrahenten mehr oder weniger bekriegten.
»Catan« ist anders -Êkonstruktiver und kommunikativer, weicher und weiblicher. Sicher gibt es ganz wie im realen Leben auch auf Catan destruktive Elemente. Da ist etwa der Räuber. Er beklaut nicht nur - was viele ihm vielleicht verzeihen - die Reichen, sondern kann Spieler auch längere Zeit vom Zugang zu einem Rohstoff abschneiden. Immer wieder kommt es zudem vor, dass Siedler eingekreist und so in ihrer Entwicklung stark beschränkt werden. Doch fast nie gelingt dies perfekt. Irgendeine Möglichkeit noch um den Sieg mitzuspielen, etwa durch Sammeln von Entwicklungskarten, gibt es fast immer.
Gefragt, welche Phantasie ihn, der vorher unter anderem schon das Knet-Spiel »Barbarossa«Êerfunden hat, nach Catan trug, spricht Klaus Teuber gern von den Wikingern. Als sie im neunten Jahrhundert nach Island kamen, war die Insel fast unbewohnt. Teuber: »Sie musste nicht erobert werden, sehr wohl aber alles neu erschaffen. Bäume im einst waldreichen Island wurden gefällt und damit Häuser und Schiffe gebaut. Straßen wurden angelegt, auf fetten Weiden vermehrten sich die Schafe, und bald wuchs - wenn auch nicht üppig -ÊGetreide auf der damals wesentlich wärmeren Insel im Nordmeer.«
Auf das Basisspiel folgten bald Erweiterungen (Seefahrer, Städte und Ritter), historische Szenarien (Alexander der Große, Cheops, Troja, Die große Mauer), Städte-Szenarien, Zweierspiele, Kartenspiele, ein Catan-Kinderspiel, Computerspiele sowie als große neue Brettspiele »Die Sternfahrer«, »Abenteuer Menschheit« und zuletzt - nach Gablés Roman - »Candamir«.
Zum zehnjährigen Geburtstag hat der Stuttgarter Kosmos-Verlag eine »goldene« Jubiläumsausgabe angekündigt. Doch anders als die Verpackung vermuten lässt, handelt es sich um keine besonders teure Version des Basisspiels. Im Gegenteil: Das Spielmaterial ist aus Plastik und der Preis so kalkuliert, dass er bei Sonderverkäufen schon mal auf 15 oder 16 Euro absinken wird. »Unser Ziel ist es, weitere Neueinsteiger in Schichten zu gewinnen, die kein oder vielleicht nur ein Brettspiel zu Hause haben«, sagt Kosmos-Pressesprecher Fritz Gruber. Dem gleichen Ziel dient eine Papierversion, die in diesem Sommer von einem Bringdienst zusammen mit einer neuen »Pizza von Catan« kostenlos ausgeliefert werden wird.
Bürgerliche Siedler-Fans mögen solche Werbe-Spielereien eher abschrecken. Für sie bietet der Kosmos auf der anderen Seite des Spektrums jedoch ebenfalls einen besonderen Leckerbissen: Spielautor Klaus Teuber, als ausgebildeter Zahntechnikermeister mit kleinen schwierigen Formen vertraut, konstruierte und baute selbst eine dreidimensionale Ausgabe des Basisspiels. Diese Luxusausgabe, verpackt in einer hochwertig verarbeiteten Holztruhe, soll voraussichtlich vom Oktober 2005 an zum Preis von 248 Euro im Spielwarenhandel erhältlich sein. Bernhard Hertlein

Artikel vom 12.03.2005