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Kindermörder
war Zeitbombe

Ex-Polizist hatte rechtzeitig gewarnt

Regensburg (dpa). Wegen der Entlassung des Kindermörders Martin Prinz aus der Haft hat der ehemalige Leiter der Regensburger Mordkommission schwere Vorwürfe gegen die Behörden erhoben.

Er habe bereits 2002 auf die Gefährlichkeit von Prinz hingewiesen und vor einer Entlassung gewarnt, sagte gestern der Ex-Kripobeamte Helmut Furtner. Seine Bedenken seien von den zuständigen Stellen nicht beachtet worden.
Furtner war 1994 für die Ermittlungen gegen Prinz zuständig, der damals in Regensburg mit 70 Messerstichen einen Jungen umgebracht hatte. Prinz hat gestanden, in der vergangenen Woche in München den neunjährigen Peter getötet zu haben. Der 28-Jährige war nach Verbüßung seiner Jugendstrafe wegen des Regensburger Mordes im vergangenen April freigelassen worden.
Nach Einschätzung von Furtner hätte es auch ohne die nun von den Politikern diskutierte Gesetzesänderung Möglichkeiten gegeben, um eine erneute Gewalttat von Prinz zu verhindern. So hätte der 28- Jährige möglicherweise mit einem richterlichen Beschluss in eine Psychiatrie eingewiesen werden können, sagte der mittlerweile pensionierte Polizist. Laut Furtner war 1994 insbesondere die Art der Tötung des elfjährigen Tobias höchst ungewöhnlich. »Die 70 Stiche haben uns Rätsel aufgegeben.« Nur drei davon seien tödlich gewesen, bei den restlichen habe es sich nur um oberflächliche Verletzungen gehandelt.
Mitte der 90er Jahre habe er den Wiener Kriminalpsychologen Thomas Müller zu dem Fall befragt. Müller, der zu den bekanntesten so genannten Profilern in Europa zählt, habe das Verbrechen als »Pikturismus« eingestuft. »Dabei drangsaliert der Täter das Opfer möglichst lange mit kleinen Verletzungen«, erklärte Furtner. Müller habe damals festgestellt, dass von Prinz in Zukunft weitere sexuell motivierte Taten zu erwarten seien und ihn als »tickende Zeitbombe« beschrieben. Als vor drei Jahren die vorzeitige Entlassung von Prinz aus der Haft diskutiert worden sei, habe er sowohl die Justizvollzugsanstalt Stadelheim als auch die Staatsanwaltschaft auf die Gefährlichkeit von Prinz und die Einschätzung von Müller hingewiesen. Auf seine Schreiben habe es jedoch keine Reaktion gegeben. »Ich habe alles getan, was ich mir vorstellen kann«, meinte der 58-jährige. »Und das Ergebnis ist ein zweites totes Kind.«
Obwohl Prinz Auflagen nach der Entlassung aus der Haft nicht erfüllte, habe die Justiz keine rechtliche Handhabe gegen ihn gehabt, sagte der Präsident des Amtsgerichts München, Gerhard Zierl. Der 28-jährige habe seine Haft voll verbüßt und sei als freier Mann entlassen worden. Damit hätten Bewährungshelferin und Richter kein Mittel mehr gehabt, um Druck auszuüben. Die Auflagen seien juristisch nicht durchsetzbar gewesen. S. 4: Kommentar

Artikel vom 22.02.2005