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Tollwut-Opfer aus Detmold

Rentner (70) erhält infizierte Niere - 100 Kontaktpersonen geimpft

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Ein Rentner (70) aus Detmold ringt mit dem Tod. Er ist einer der sechs Patienten, denen Organe einer an Tollwut erkrankten Frau implantiert worden waren. Etwa 100 Kontaktpersonen des Mannes sind bereits geimpft worden.

Nach jahrelangem Warten war dem Detmolder am Neujahrstag im Nieren-Transplantationszentrum Hannoversch Münden eine Niere einer Organspenderin eingepflanzt worden, die in der Uniklinik Mainz verstorben war. Am 25. Januar konnte der Rentner mit dem gut funktionierenden Organ zur ambulanten Weiterversorgung in die Obhut seines Detmolder Arztes entlassen werden. 14 Tage lebte der Mann im Kreis seiner Familie, als ihn sein Arzt am 9. Februar mit schweren Symptomen ins Klinikum Lippe-Detmold einwies. Der 70-Jährige litt an Schluckstörungen, Krampfanfällen und Benommenheit.
Da bei Transplantierten die Immunabwehr mit Medikamenten herabgesetzt wird (sonst stoßen sie das neue Organ ab), ging der Nierenspezialist des Klinikums, Dr. Rainer Högel, davon aus, dass sich der Rentner einen Virus eingefangen hatte. Deshalb wies er ihn vorsorglich nach zwei Tagen in die niedersächsische Transplantationsklinik ein. »Von dort erreichte uns am Mittwoch die Nachricht, dass der Patient an Tollwut erkrankt ist«, sagte gestern Prof. Dr. Ulrich Tebbe, der Ärztliche Direktor des Klinikums Lippe-Detmold. Dort sind inzwischen 30 Mitarbeiter ermittelt worden, die Kontakt zu dem Patienten gehabt hatten. Sie wurden vorsichtshalber gegen Tollwut geimpft. Prof. Tebbe: »Da es keinen hundertprozentigen Impfschutz gibt, wissen wir erst in acht Wochen, ob der Fall für unsere Mitarbeiter glimpflich ausgegangen ist.« Der Erreger kann durch Speichel oder Blut übertragen werden. Deshalb sind vor allem jene Ärzte gefährdet, die möglicherweise von dem Patienten während eines Krampfanfalls angehustet worden sind.
In der Transplantationsklinik sind inzwischen 60 Pfleger, Schwestern und Ärzte geimpft worden. Auch Verwandte des Rentners und die Fahrer des DRK-Krankenwagens, mit dem der Detmolder transportiert worden war, wurden immunisiert.
Neben dem Rentner aus dem Kreis Lippe schweben noch zwei weitere Patienten in akuter Lebensgefahr: die Empfängerin einer Lunge in der Medizinischen Hochschule Hannover und ein Patient, dem in Marburg die andere Niere und die Bauchspeicheldrüse der Frau eingepflanzt worden waren. Bislang ohne Symptome sind zwei Menschen, die in Mainz die Hornhäute der Verstorbenen bekommen hatten, und ein Patient, dem in Heidelberg die Leber der Frau transplantiert worden war. Dieser Mann soll allerdings gegen Tollwut geimpft gewesen sein.
Der Tierbestand Ostwestfalen-Lippes ist seit 14 Jahren tollwutfrei, bundesweit sind in den vergangenen zehn Jahren nur zwei Menschen an Tollwut erkrankt. »Deshalb hat niemand mit dieser tödlichen Krankheit gerechnet«, sagte Professor Tebbe. Er wies noch einmal darauf hin, dass den Transplantationsärzten kein Vorwurf zu machen sei: »Man kann Organe vor einer Transplantation nicht auf Tollwut testen, weil der Nachweis mehrere Tage dauert.«

Artikel vom 18.02.2005