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Schauprozess vor Bundesgerichtshof

Simone de Groot und Vanessa Becker im Finale eines Studentenwettbewerbs

Von Sabine Schulze (Text)
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). In drei Wochen wird es für die Bielefelder Jurastudentinnen Simone de Groot und Vanessa Becker ernst. Dann nämlich müssen sie sich dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe stellen - als Beklagte in einer Mietsache.

Nun ist es keineswegs so, dass sich die beiden angehenden Juristinnen etwas haben zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil: Sie treten an in einem Wettbewerb der Jurastudenten und kämpfen in der letzten Runde um den Titel.
Alljährlich veranstaltet »El§a«, eine bundesweite Vereinigung der Jurastudenten, nach angelsächsischem Vorbild den Wettbewerb »Moot Court« (moot bedeutet hypothetisch, aber auch Streit, Streitgespräch): Ziel ist es, den Rechtsanwälten, Staatsanwälten und Richtern von morgen einen Ausblick auf die Praxis zu geben - und zwar mittels eines Schauprozesses, in dem richtige Richter, Professoren oder wissenschaftliche Mitarbeiter als Richter (und Jury) fungieren und die Studierenden die Rechtsvertreter der streitenden Parteien geben.
Das Duo de Groot/Becker hat sich im Sommer in der Universität vor dem Gericht für hypothetische Streitfälle so gut geschlagen, dass es im Dezember nach Kiel ging. Von dort sind die beiden als die Sieger »Deutschland Nord« heimgekehrt. »Jetzt müssen wir in Karlsruhe gegen die Sieger des Wettbewerbs Deutschland Süd antreten, gegen zwei Jurastudenten aus Bayreuth«, erzählt Simone de Groot.
Worum es geht, wissen die beiden Studentinnen bereits: »Wir vertreten einen Vermieter, dessen Mieter zwei Monate für eine Wohnung nicht zahlte und auf die Kündigung nicht reagierte, weil er im Urlaub war. Der Vermieter wechselte daraufhin die Schlösser zur Wohnung aus, der Mieter kam nach seiner Rückkehr nicht hinein.« Nicht nur, weil der Mieter mittlerweile den Mietzins nachzahlte, haben Simone de Groot (22) und Vanessa Becker (23) die schlechteren Karten. »Die Gegenseite hat rechtlich die deutlich bessere Position, wir haben erst ganz schön geschluckt«, gibt Simone de Groot zu.
Aber mittlerweile sei man die Rolle des Beklagten ja gewohnt, meint das Duo, denn auch in Kiel mussten die beiden diese Position vertreten. Außerdem: Den Prozess zu verlieren, heißt keineswegs, auch im Wettkampf zu unterliegen: »In unserem ersten Schauprozess in Bielefeld haben wir in der Sache auch verloren.« Aber dank des guten Auftretens, der Teamarbeit, der fachlichen Qualitäten und der Rhetorik schlugen sie sich im »Moot Court« gut. »Abstriche gab unser Auftreten: zwar mit Blazer, aber in Jeans. Die anderen haben da mit Krawatte und Kostüm gepunktet.« Vor dem Gerichtsstreit in Kiel ging es also zum Einkaufen - mit dem Ergebnis, dass das neue Outfit unter einer Robe verschwand.
Die werden die beiden Bielefelderinnen auch am 11. März in Karlsruhe tragen. Bis dahin werden sie mit ihrer gegnerischen Partei bereits Schriftsätze austauschen (auch die werden bewertet) und sich in Sachen Taktik und Prozessführung coachen lassen. Fachliche Ratschläge, betonen sie, dürfen sie nicht einholen; zudem haben sie sich längst mit der Materie vertraut gemacht. Und vielleicht - wenn man Anwaltsserien im Fernsehen glauben darf - hilft ja auch weiblicher Charme.

Artikel vom 19.02.2005