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Herrschaftswissen im Kamera-Lager

Die Jobs der Professoren (13): Dr. Joachim Rosenmüller


Bielefeld (sas). Im Großen und Ganzen haben seine Eltern sein Studium bezahlt, erzählt Prof. Dr. Joachim Rosenmüller. Für die Extras aber musste auch er jobben. Und er gönnte sich in den 60er Jahren ein Extra, das vor allem für einen Studenten eigentlich schon reichlich extravagant war: ein Auto.
»Ich habe in meiner Heimatstadt Braunschweig bei Voigtländer gejobbt«, erzählt der Wissenschaftler, der seit 26 Jahren (nach Aufenthalten in den USA, in Kanada, Dänemark und Karlsruhe) an der Universität Bielefeld Mathematische Wirtschaftstheorie lehrt. Voigtländer, heute schon Geschichte, war damals eines der führenden Unternehmen der Fotoindustrie und brachte etwa 30 verschiedene Kameratypen auf den Markt.
»Meine Aufgabe bestand darin, in einem großen Lagerraum Kameras auszusortieren. Ich musste zum Beispiel 30 Fotoapparate des einen und 40 Apparate eines anderen Typs zusammenstellen und für den Versand fertigmachen.« Dazu fuhr der Student Rosenmüller mit einem großen Wagen an den Regalen entang und suchte, wo denn welches Kameramodell gelagert war. »Es gab zwar ein Ordnungsprinzip, aber das war undurchschaubar. Nur der Vorarbeiter wusste, wo was lag. Er hatte das Herrschaftswissen, das es nur von Fall zu Fall preisgab, weswegen er immer gefragt werden musste«, erinnert sich Rosenmüller schmunzelnd.
Davon fühlte der Student sich herausgefordert: »Ich habe mir also eine Karte gezeichnet und jedes Mal, wenn ich ein Kameramodell gefunden hatte, notiert, wo es lag.« Nach 14 Tagen wusste Joachim Rosenmüller so gut wie der Vorarbeiter, wo was lag - und es entspann sich ein Kampf: Ab und an verlegte der Chef Modelle in ein anderes Regal und freute sich, wenn der Student dann doch suchen oder fragen musste. »Er grinste dann immer über alle Backen.«
Der Stundenlohn betrug damals 4,50 Mark - genug, um einen schicken cremeweißen Fiat 500 (Topolino) mit roten Polstern zu kaufen und zu unterhalten. Finanziell richtig gut ging es Joachim Rosenmüller, der in Marburg, Göttingen und Erlangen studierte, nach dem Vordiplom: Er hatte bis zum Examen Stellen als studentische Hilfskraft und Tutor. »Danach musste ich dann nicht mehr jobben gehen.«

Artikel vom 25.02.2005