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Germanen vernichteten die
Römer in religiösem Zorn

Varusschlacht: Landschaftsverband legt spektakuläres Buch vor

Von Dietmar Kemper
und Stefan Hörttrich (Foto)
Haltern (WB). Die Legionen des Varus sind im Jahre 9 nach Christus im Anschluss an ein religiöses Fest in einem »Heiligen Krieg« vernichtet worden. Diese spektakuläre These vertritt der Kulturdezernent des Landschaftsverbandes Lippe (LWL), Wilm Brepohl, in seinem Buch »Neue Überlegungen zur Varusschlacht«.

Die Ereignisse vor bald 2000 Jahren seien mit der Intifada, dem Aufstand der Palästinenser in Israel, vergleichbar, sagte der Autor gestern bei der Präsentation des Buches im Römermuseum in Haltern. Brepohl stammt aus Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke). Der 61-Jährige entwickelte das Konzept für das Römermuseum in Haltern und befasst sich seit mehr als 20 Jahren mit der Varus-Schlacht. Demnach hat Arminius ein alle neun Jahre stattfindendes religiöses Fest dazu genutzt, Tausende germanischer Krieger an einem Ort zu versammeln. Brepohl erklärte: »Ein Kultfest empfanden die Römer nicht als militärische Bedrohung. Nur so ist es zu erklären, dass Tausende Germanen zusammenströmen konnten, ohne dass die Kundschafter des Varus Verdacht schöpften.« Religiöse Feste dieser Art seien aus dem schwedischen Upsala überliefert.
Arminius habe den römischen Statthalter Varus mit der Aussicht auf ein Ende der Unruhen in Germanien zu einem »Gipfeltreffen« mit den Stammesführern an der Kultstätte überredet und damit in die Falle gelockt. Um militärische Macht zu demonstrieren, sei Varus mit 18 000 Elitesoldaten angerückt und habe die religiösen Bräuche der Germanen ignoriert, als er in die geheiligten Bezirke der Kultstätte marschiert sei. »Nach germanischem Brauch waren die Stammeskrieger jetzt verpflichtet zu kämpfen, und so wurden die Römer in einem Heiligen Krieg geschlagen«, erläuterte Brepohl. Bei seinen Thesen beruft er sich auf den Geschichtsschreiber Tacitus, der im Zusammenhang mit dem Ort der Schlacht von Altären und Opferschächten berichtet. Die Forschung habe die religiöse Komponente sträflich vernachlässigt, kritisierte Brepohl: »50 Jahre lang haben wir uns nur auf Knochen und Steine konzentriert, dabei kann man die Germanen nicht ohne Religion deuten.« Weil die Suche nach »dem« Ort der Varusschlacht inzwischen »zwanghafte Züge« angenommen habe, forderte der Kulturdezernent die Archäologen auf: »Sucht nicht den Schlachtort, sondern die Kultstätte.« Nach seiner Überzeugung muss der Begriff Teutoburger Wald als »Opferwald der Teutoburg« gedeutet werden. In den Quellen sei von einer Kultstätte auf befestigter Höhe (Burg) die Rede, auf der Priester den Willen der Götter deuteten.
Brepohl geht davon aus, dass die Römer ihr Sommerlager bei Hameln aufschlugen und die Schlacht zwischen den Ems- und Lippequellen tobte. Soldaten und Tross zusammengerechnet, hätten 30 000 Menschen und 7000 Pferde mit Korn und Trinkwasser versorgt werden müssen. »Die Weser war bis Hameln schiffbar, hier lag der ideale Platz für das Sommerlager«, betonte der Forscher. Der Leiter des Römer-Museums Haltern, Rudolf Aßkamp, lobte, Brepohl habe erstmals die Frage überzeugend beantwortet, wie mehr als 5000 Germanen unbehelligt an einem Ort zusammenströmen konnten. Wegen der spektakulären Thesen bringt der Aschendorff-Verlag in Münster das Werk als Taschenbuch heraus. Varus sei inzwischen so bekannt wie Alexander der Große und Hannibal, betonte Klaus Temlitz von der Geographischen Kommission für Westfalen als Herausgeber des Buches.

Artikel vom 18.02.2005