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Leitartikel
Nationalpark

Gewinn und
Verlust fair
abwägen


Von Reinhard Brockmann
Nicht Gott in seinem Zorn, schuf die Senne bei Paderborn - es waren die Landser selbst, die Reime schmiedeten, aber auch eine einzigartige Natur bewahrten. 5000 Arten, davon 1000 auf der roten Liste, finden trotz Panzerketten und Großmanövern hier eine Schutzzone.
Ohne Eingriffe käme sehr schnell das Buschfeld und dann der Hochwald. Um den Vorschriften für Nationalparke zu entsprechen, schlägt die Politik einen doppelten Haken. Ohne Ausgleichsflächen in der Egge, wo ähnlich wie im Nationalpark Eifel nur ein Bruchteil an Tier- und Pflanzenarten lebt, kann das Offenhalten der Landschaften nicht erlaubt bleiben.
Vor allem bedeutet die Verknüpfung von Senne und Egge Pflicht zum Urwald zwischen Velmerstot und Lichtenau. Das muss nichts Schlimmes bedeuten, ist aber auch nicht allen klar.
Der Eggegebirgsverein beispielsweise pflegt seit 100 Jahren Wege und Tourismus. Ob sich diese Leistung toppen lässt, wäre noch zu beweisen. Die vollständige Auflistung von Kosten und Gewinnen für Mensch, Natur und Steuerzahler muss vorgelegt werden, bevor die Grundsatzentscheidung fällt.
Deshalb fragten gestern Bürgermeister und Landräte im Landtagsausschuss zu recht, ob die von ihnen gern angebotene Mitarbeit nur Staffage oder auch Mitsprache bedeute. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn beschwor dabei ein wenig zu offensichtlich den »ergebnisoffenen Prozess«.
Lichtenaus Bürgermeister Karl-Heinz Wange witterte mehr dahinter und erlaubte sich die Schlüsselfrage nach dem Geld. Kindergärten und Schulen müssten längst auf Pump gebaut werden, warf er in die leicht irritierte Runde.
Antwort des Staatssekretärs: Füllhörner seien nicht zu erwarten und »der Nationalpark ist ein Instrument, um sich als Region selbst nach vorn zu bringen«. Das allein reicht nicht. Eine Dachmarke hat »OWL« längst. Mehr als zehn Jahre feilt die Region an ihrem Profil, an politischer Selbstfindung herrscht wahrlich kein Mangel.
Die Debatte um die Vorteile eines Nationalparks Senne/Egge muss erst noch geführt werden. Liebe zur Natur und zur Heimat ist keinem der Beteiligten abzusprechen - übrigens auch nicht dem knallhart für die Briten eintretenden Paderborner Bürgermeister Heinz Paus. Gute Absichten allein reichen nicht aus.
Die Kernfrage muss lauten: Was hat die Region, was haben die Menschen und die Umwelt durch das Projekt Nationalpark, was sie nicht heute schon haben? Wenn mehr als ein vorzeigbares Etikett dabei herauskommt, wenn Kommunen nicht abgeschnürt, sondern in ihrer Entwicklung entfesselt werden, wenn Flora und Fauna aufblühen, dass sie Anwohner wie Gäste begeistern, dann ist das Projekt aller Anstrengungen wert. Ist das nicht der Fall, muss auch die Vernunft eine Chance behalten.

Artikel vom 18.02.2005