19.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das trotzige Signal:
»Wir sind Borussia«

Fans und Spieler rückten schon gegen Bochum zusammen

Von Klaus Lükewille
Dortmund (WB). Die Fans reklamierten ganz transparent: »Wir sind Borussia!« Das Bekennungs-Schreiben, schwarz auf weiß gemalt, flatterte hoch oben auf den Rängen der Südtribüne. Aber auch unten, auf dem Rasen, da kämpften, rannten und spielten die Dortmunder Profis so wie lange nicht mehr. Auch sie - echte Borussen.

Gemeinsam feierten alle dann den glücklichen 1:0-Erfolg gegen den VfL Bochum. Vereint, vertraut, verschworen. Ein neues schwarz-gelbes Wir-Gefühl. Wie in alten, besseren Zeiten. Als wenn sie die dramatische Verschärfung der Finanzkrise schon geahnt hätten, rückten sie enger zusammen.
»Wir sind Borussia!«
Diese neue Verbundenheit gilt allerdings vorerst nur für Mannschaft und Fans. Die Präsidiums-Herren und vor allem Geschäftsführer Michael Meier, sie stehen draußen vor dem Dortmunder Tor.
Die Profis, in der Vorrunde bei Heimpleiten noch ausgepfiffen und geschmäht, sind aber wieder mittendrin - und voll dabei. Jetzt erst recht. »Es macht einfach Spaß, in dieser tollen Truppe zu spielen«, sagte Christian Wörns nach dem Sieg gegen den Revier-Rivalen: »Wir freuen uns schon auf die nächste Partie. Wir reisen als Außenseiter nach München, wir können da nur gewinnen.«
Die Borussia-Auswahl, im zweiten Halbjahr 2004 oft ein verlorener Haufen, der immer tiefer in den Keller rutschte, präsentiert sich 2005 bisher als geschlossene Einheit. Kapitän Wörns schwärmt von seiner Besatzung: »Obwohl die Gesamtlage des Vereins schon seit langer Zeit sehr, sehr kritisch ist: Alle zeigen Einsatz, Engagament, ja, sogar Leidenschaft.«
Die neue Identifikation mit dem Verein ist inzwischen auch außerhalb des Sportbetriebs zu erkennen. Nach den Trainingseineinheiten oder den Punkt-Partien treffen sich häufig Profis zum privaten »Nachspiel«. Wörns war mehrfach dabei und berichtet: »Das läuft immer ganz zwanglos ab, da wird keine große Session gemacht. Wer Lust hat, der kommt.«
Cliquenwirtschaften, die früher gerade in Dortmund Hochkonjunktur hatten, sollen künftig geschlossen bleiben. Sagt Wörns. Hofft Wörns. Die Krise schweißt sie zusammen. Denn Lars Ricken pflichtet ihm bei: »Ich bin schon verdammt lange in diesem Club. Aber so gut wie zuletzt war das Klima innerhalb des Kaders noch nie.« Was auch an der Rückkehr eines jungen Mannes liegt: Christoph Metzelder gilt trotz seiner erst 24 Jahre als Integrationsfigur.
»Es ist wichtig, dass ein so kluger und ausgleichender Typ wie Christoph wieder dabei ist«, weiß auch Wörns. Aber im Team »Borussia 2005« sind sie alle wertvoll. Die Stars mit den großen Namen - und die kleinen Neulinge, die sich noch etablieren müssen. Zum Beispiel Marc-Andre Kruska. Erst 17 Jahre jung, aber in vielen Szenen schon abgebrüht wie ein »Alter.« Die Ricken-Rechnung: »Wir hatten gegen Bochum gleich vier Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in der Anfangsformation. Das schafft Identität.«
Dazu kommt: Beim Anpfiff standen acht Spieler mit einem deutschen Pass in der Elf. Das hat es im Westfalen-Stadion schon lange nicht mehr gegeben. Da kickten früher nicht selten mehr Brasilianer als Deutsche für Schwarz-Gelb.
Die »Diva« Marcio Amoroso ist längst weg, Ewerthon und Evanilsson sind verletzt, auch der Tscheche Tomas Rosicky fehlt seit Wochen. Macht nichts. Es läuft trotzdem. Sogar ausgezeichnet. Mit dem »Dreier« gegen Bochum verabschiedete sich der BVB aus der Keller-Zone. Ausgerechnet jetzt steht endlich eine junge Elf mit Zukunft auf dem Platz, die von den Vorstands-Fehlern der Vergangenheit eingeholt wird und sich der desaströsen Gegenwart stellen muss.
Denn die Finanzlage ist fatal. Aber dennoch darf sportlich wieder nach oben geblickt werden. Trainer Bert van Marwijk hat das nach dem Abpfiff am Samstag sofort getan und trotzig in Richtung Tabellengipfel geschaut: »So, und jetzt gehen wir nach Bayern.«

Artikel vom 19.02.2005