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Nach 65 Jahren meldet
sich Schleppenträgerin

Überraschung zur eisernen Hochzeit durch WB-Artikel

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Dornberg (WB). »Hier spricht die kleine Christa...« Ñ Als Gottfried und Ilse Zschäbitz diese Zeilen lesen, sind sie den Tränen nahe. Endlich, nach 65 Jahren, hat das Dornberger Ehepaar das Mädchen (inzwischen eine Frau von 75 Jahren) wiedergefunden, das ihnen zur Trauung am 27. Januar 1940 vor dem Rathaus im sächsichen Erfenschlag bei Chemnitz die Schleppe getragen hat.

»Wir wollten sie schon zu unserer goldenen Hochzeit einladen«, erzählt Gottfried Zschäbitz, »es ist uns aber nicht gelungen, sie ausfindig zu machen«. Erst die eiserne Hochzeit Anfang diesen Jahres brachte die Wende. Inge Schmidt, eine Cousine der Schleppenträgerin von damals und seit 1951 in Bielefeld wohnhaft, hatte den Bericht über das Jubelpaar von der Wertherstraße im WESTFALEN-BLATT gelesen. Und auf dem dazu veröffentlichten historischen Foto aus der ehemals Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) als Vorläufer der DDR die kleine Christa erkannt. Die wohnt seit 1958 in Nürnberg und konnte nach Erhalt der Zeitung die Frage »Das bist doch du?« mit einem klaren »Ja« beantworten.
Denn alle Beteiligten haben ihre Wurzeln in Mügeln bei Oschatz, von wo aus die Zschäbitz', wie berichtet, im Oktober 1947 mit ihren zwei Kindern im Boot über die Trave in den Westen flohen. Alle Kontakte zu Verwandten und Bekannten brachen damals ab. Der »Kalte Krieg« und 40 Jahre DDR forderten ihren Tribut. Selbst die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 ließ die Menschen nicht direkt wieder zueinander finden.
Um so mehr freuten sich Ilse und Gottfried Zschäbitz Ñ echt westfälisch »platt« Ñ über die Post aus Franken. Der Rentner feiert in drei Wochen seinen 90. Geburtstag. Da sollte es auch ein Wiedersehen mit Christa Hartig, inzwischen verheiratete Rotter, geben. »Leider ist sie an diesem Tag verhindert«, bedauert der Jubilar in spe. Die lang ersehnte Begegnung ist aber nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.
So groß die »Überraschung« für das Paar aus Dornberg, das lange Jahre in Kiel gelebt hat, war Ñ bei der großen Christa kamen mit dem Zeitungsbild auch viele Erinnerungen zurück. Zum Beispiel jene an den Oelsner-Schuster. »Wie oft und gern habe ich bei Ihrem Vater in Erfenschlag auf dem Arbeitschemel gesessen«, schrieb sie der »eisernen« Braut und ihrem Gatten. Selbst ist Christa Hartig 1958 nach Westberlin geflüchtet. Nachträgliche Glückwünsche erhielt das eiserne Hochzeitspaar übrigens auch noch von einer früheren Nachbarin aus Mügeln. Sie hatte ebenfalls durch die Zeitung von dem Fest erfahren und wohnt heute in Bielefeld an der Braker Straße.

Artikel vom 18.02.2005