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Das deutsche Langlauf-Debakel

Die Behle-Boys stehen lediglich am Start in der ersten WM-Reihe

Oberstdorf (dpa). Als Vincent Vittoz das erste WM-Gold für Frankreich feierte, quälten sich Axel Teichmann und Co. abgeschlagen und entkräftet dem Ziel entgegen.

Die deutschen Langläufer haben in der Doppelverfolgung ein Debakel erlebt und im DSV-Lager Frust und Ratlosigkeit ausgelöst. »Ich bin enttäuscht, das ist das schlechteste Ergebnis der gesamten Saison. Man hat gesehen, dass die Athleten nicht in bester Verfassung waren. Ich habe keine Erklärung«, sagte der konsternierte Bundestrainer Jochen Behle.
Als bester Deutscher kam Jens Filbrich gestern über zwei Mal 15 km in der klassischen und freien Technik auf Rang 14 und stellte danach fest: »Es war deprimierend.« Tobias Angerer (Vachendorf) wurde 17., René Sommerfeldt (Oberwiesenthal) belegte den 28. Rang. Noch schlimmer erwischte es Teichmann, der als heißer Medaillenkandidat in das Rennen gegangen war. »Ich habe mich gefühlt, als hätte ich 25 Kilogramm Blei geschluckt. Von Kilometer 1 bis 30 lief bei mir gestern nichts zusammen«, sagte der Lobensteiner, der das Ziel 3:28,3 Minuten nach Vittoz als 30. erreichte.
In der ersten Reihe standen die zu den Favoriten zählenden DSV- Läufer nur am Start. Schon auf dem klassischen Teilstück platzten die Medaillenträume, als die Hoffnungsträger Teichmann und Sommerfeldt frühzeitig abreißen lassen mussten und weit zurück fielen. »Ich bin mit dem falschen Fuß aufgestanden und hatte von vornherein ein schlechtes Gefühl. Das hat sich bewahrheitet«, erklärte Teichmann, der sich vor der WM mit einer Erkältung geplagt hatte. »Mensch und Material haben nicht gestimmt. Die Ski liefen nicht gut, aber auch die Form stimmte nicht«, sagte Behle und kündigte eine eingehende Analyse an.
Glücklich war dagegen Vittoz, dessen Start in Oberstdorf nach einer positiven Dopingprobe am seidenen Faden hing. Da die B-Probe jedoch negativ ausfiel, wurde er vom Weltverband FIS nicht gesperrt. »Es war eine schwierige Situation für mich, aber ich habe immer an mich geglaubt«, sagte Vittoz, der im Spurt den Italiener Giorgio Di Centa und den Norweger Frode Estil auf die Medaillenränge verwies.
Den mit großen Ambitionen angereisten DSV-Läufern droht dagegen nach dem vierten Wettbewerb ohne Edelmetall ein WM-Desaster. »Ich muss eine Nacht darüber schlafen und überlegen, wie ich die Jungs aufbauen kann. Für die Staffel müssen wir uns neu aufstellen«, kündigte Behle eine intensive Aufarbeitung an. »Das ist eine Seuchen-WM. Ich hatte brutale Krämpfe im Oberarm«, sagte Sommerfeldt.
Müde und kaputt fühlte sich auch Deutschlands derzeit beste Langläuferin Claudia Künzel nach ihrem gelungenen Comeback mit Rang zehn in der Doppelverfolgung über jeweils 7,5 km. »Ich bin noch nicht topfit«, sagte die Oberwiesenthalerin, die im Vorfeld der Titelkämpfe erkrankt war und den WM-Auftakt verpasst hatte.
Heute soll die Damen-Staffel endlich für die erste Langlauf- Medaille in Oberstdorf sorgen. »Wir werden darum kämpfen, aber es wird schwer«, sagte Viola Bauer (Oberwiesenthal), die am Samstag 14. wurde. Behle sieht für sein Quartett lediglich die Chance auf Bronze. »Russland und Norwegen sind nicht zu schlagen«, prophezeite der Bundestrainer.
Nach der Hatz durch das Oberstdorfer Ried fühlte sich Künzel am Samstag völlig leer. »Ich hatte schon nach einer Runde Blutgeschmack im Mund. So etwas ist mir noch nie passiert«, berichtete sie. Vor allem bei den »giftigen« Anstiegen musste die 27-Jährige Federn lassen. »Dort hatte sie ihre Probleme«, sagte Behle.

Artikel vom 21.02.2005