26.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schöne Glanzbilder-Welt
Schon Benjamins Großmutter sammelte sie - einzige Druckerei in Coesfeld
Benjamin weiß es: Für viele unserer Großmütter und Mütter waren sie wahre Schätze, wurden gesammelt, auf dem Schulhof getauscht und ins Poesiealbum geklebt: Glanzbilder gab es in jedem Mädchenzimmer.
Und trotz aller Spielzeugmassen und Computer ist jetzt auch unter Benjamins jungen Freundinnen von heute eine neue Sammelleidenschaft für die bunten Bildchen ausgebrochen. Die romantische, heile, für einige auch kitschige Welt der heftgroßen Rosen-, Tier- oder Engelbögen ist mehr als 100 Jahre nach ihrer Blütezeit wieder gefragt und sorgt bei Ernst Freihoff in Coesfeld - nicht nur in der Weihnachtszeit - für ununterbrochen ratternde Druckmaschinen. Er ist der einzige deutschen Hersteller von Glanzbildern.
Auch anderswo sind sie bei Kindern beliebt: In 27 Länder gehen die gestanzten Bilder aus dem Münsterland, die dort auch als Oblaten, Matrizen, Steck- oder Lackbilder bezeichnet werden. »In Essen wiederum heißen sie Vielliebchen«, schwärmt Anne-Ruth Freihoff, die gemeinsam mit ihrem Bruder das kleine Unternehmen vor vier Jahren vom Vater und Namensgeber der Firma übernahm. Der Schreibwarenhändler, der seine Initialen zum Markenzeichen »ef« machte, hatte in den 50er-Jahren die Bildbögen eher beiläufig angeboten - mit großem Erfolg.
Die Tochter und einstige Gärtnerin hat ihre Leidenschaft für die feinen Bilder neu entdeckt: »Ich bin früher mit Glanzbildern ins Bett gegangen und wieder aufgewacht. Das war prägend«, erinnert sich die 33-Jährige. Ihr zehn Jahre älterer Bruder Ralph-Thorsten Freihoff sattelte ebenfalls um. Als Junge eher beiläufig mit den Bildchen beschäftigt, ist der Industriekaufmann heute Besitzer einiger bis zu 200 Jahre alter Glanzbild-Schätze. In diesen Anfangsjahren machten lediglich einzelne Bilder auf Luxuspapier in reichen Familien die Runde.
Die Massenproduktion brachte die niedlichen Engel, Blumen und Tiere dann in viele Stuben. Während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland konnte sich nur einer der vielen meist jüdischen Produzenten - die Firma Mamelok - von Breslau nach England retten. Sie ist heute der weltweit einzige Konkurrent der westfälischen Firma Freihoff.
Für das neue Interesse an den Bildern ist vor allem die Nostalgiewelle verantwortlich: »Die Jugendtraum-Serie mit Reproduktionen bis zu 100 Jahre alter Originale ist der Renner«, sagt der 42-jährige Freihoff-Erbe und zeigt in vielen Regalen auf historische Weihnachts-, Märchen- und Rosenbögen.
Die zeitlosen Motive, die heute wieder Geschenke, Briefe und die Kaffeetafel zieren, stellt das Geschwisterpaar aus Coesfeld gemeinsam zusammen. Da werden um den Weihnachtsmann im Rentierschlitten Kerzen drapiert, oder die Jungfrau Maria erhält Gesellschaft von pausbäckigen Engeln. »Die Motive sind zwar zeitlos, wir stellen die Bögen dennoch immer wieder neu zusammen«, sagt die Firmenmitinhaberin.
Die Ideen dazu holen sich die beiden auf Spielzeug-Messen, in Antiquitätenläden oder Museen. Mit neumodischen Motiven haben es die Freihoffs allerdings nicht. »Anfang der 80er Jahre hatte es der Vater mal mit Pumuckel-Bildern versucht. Das war aber nichts. Unsere derzeit jüngsten Motive sind aus den 50er Jahren. Je älter, umso beliebter.«
Dafür bietet das stetig wachsende Unternehmen seit einigen Jahren selbstklebende Glanzbilder. Und auch neue Länder sind im Blick: Nächstes Jahr steht erstmals eine Messe in New York auf dem Reiseplan. Die Freihoff-Geschwister suchen dort interessierte Händler. Denn selbst verkaufen sie die Bilder nicht, das tun die Geschenke- Papier- und Spielzeugläden, an die sie liefern.
Das traditionsreiche Geschäft wird im Hause »ef« mit viel Begeisterung gepflegt. Da es weder zum Herausstanzen der Bild- Zwischenräume noch zum Eintüten der einzelnen Bögen Maschinen gibt, bleibt für viele Arbeitsschritte nur die Handarbeit: »Wir haben zahlreiche meist ältere Damen, die das zu Hause für uns machen«, sagt Ralph-Thorsten Freihoff. Die haben früher wahrscheinlich selbst schon die Bilder gesammelt, vermutet Benjamin. Nur für den Glitzer, der die Bilder so schön macht - Anne-Ruth Freihoff nennt ihn »Glimmer« - gibt es eine eigens umgebaute Druckermaschine zum »Bepudern«: »Aber wie das geht, bleibt unser Geheimnis.« Juliane Albrecht

Artikel vom 26.02.2005