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»Es geht um Wahrhaftigkeit«

Werner Schroeter inszeniert Verdis »Don Carlos« am Theater Bielefeld

Bielefeld (WB). Er gehört neben Wim Wenders, Rainer Werner Faßbinder und Werner Herzog zu den wichtigsten deutschen Regisseuren der Nachkriegszeit. Einzigartig in Werner Schroeters bislang 30-jährigem Schaffen ist die enge Verbindung von Film, Theater und Oper. Nach einer vor zwei Jahren umjubelten »Madame Butterfly« inszeniert Schroeter nun den »Don Carlos« am Theater Bielefeld. Mit WB-Redakteurin Uta Jostwerner sprach er über seine Arbeit.

Was hat Sie dazu bewogen, erneut am Bielefelder Theater zu inszenieren?Werner Schroeter: Für mich ist es das reinste Vergnügen, erneut hier zu inszenieren. An Bielefeld ist außergewöhnlich, dass alle Abteilungen autonom und selbstverantwortlich arbeiten. Außerdem sind bei meiner letzten Arbeit hier Freundschaften entstanden, so dass ich mich sehr gefreut habe, als ich wieder gefragt wurde.

Die Arbeitsbedingungen haben sich durch die Sanierung des Stadttheaters allerdings geändert. Wie kommen Sie mit der Oetkerhalle zurecht?Werner Schroeter: Man kann dort keine ästhetischen Wunder vollbringen. Insofern darf man keinen Bühnenzauber erwarten, sondern Strenge. Ich habe versucht, das Vorhandene zu nutzen und aus dem Hallencharakter Vorteil zu ziehen. So wird zum Beispiel die Orgel an der Rückwand mit ins Bühnenbild einbezogen. Ansonsten konzentriere ich mich auf die Psychologie der Figuren in ihrem Elend.

Welche Bedeutung spielt für Sie die politische Dimension in dem Stück?Werner Schroeter: Das ist für mich eine Folie, vor der der Personenkonflikt stattfindet. Ein Konflikt vor dem schauerlichen Hintergrund einer Diktatur der Kirche.

Sie tragen ein Kreuz an ihrer Halskette. Glauben Sie an Gott?Werner Schroeter: Ich bin überzeugter Christ. Die Verbrechen, die die Institution Kirche über die Jahrhunderte hinweg begangen hat, sind allerdings entsetzlich. Dabei ist die Idee des Christentums gut. Nur der Umgang damit ist falsch und als Missbrauch von Menschen und Macht anzusehen. Das ist im Islam übrigens identisch. Im Koran selbst gibt es auch nichts Brutales.

Worin liegt für Sie der Reiz des Stücks?Werner Schroeter: Es geht um Wahrhaftigkeit und damit um eine Aktualität, die nicht vergeht.

Sie nehmen die Infantin, die bei Schiller zwar vorkommt, bei Verdi aber gestrichen wurde, in Ihre Inszenierung hinein. Warum?Werner Schroeter: Schiller hat sich schon etwas dabei gedacht. Das gemeinsame Kind von Philipp und Elisabeth ist wie eine Klammer, die beide miteinander verbindet. Die Infantin ist ein wichtiges Unterpfand einer tatsächlich stattgefunden habenden Beziehung.

Wie steht es mit dem Filmregisseur Schroeter?Werner Schroeter: Bis 1972 habe ich nur Filme gedreht. Dann holte Peter Zadek mich ans Theater. Heute kommt ein Film auf acht Theaterinszenierungen. Mein letzter Film war »Deux«, eine portugiesische Produktion, die eine Doppelgänger-Geschichte erzählt. Ansonsten macht mir das Theater einfach so viel Spaß. Das ist für mich wie eine Familie.

Artikel vom 16.02.2005