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Moslem wollte
Medikamente
nicht nehmen

Grund für Angriff auf Polizisten?

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Der geistig verwirrte Deutsch-Marokkaner, der am Freitag in Bielefeld nach einem Angriff auf einen Polizisten erschossen worden war, soll sich seit langem geweigert haben, seine Psychopharmaka zu nehmen. Dies habe möglicherweise zu der Tat in dem McDonald's-Restaurant geführt, hieß es in Ermittlerkreisen.

Der gebürtige Marokkaner Dris H. (41), der die deutsche Staatsbürgerschaft besaß und in Minden lebte, litt unter einer Form der Schizophrenie. Deshalb war er bereits 1977 im Krankenhaus Lübbecke in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Er weigerte sich allerdings mit Hinweis auf seine Religion bis zuletzt, die von den Ärzten verschriebenen Arzneimittel zu nehmen. Seiner deutschen Ehefrau, von der er seit Oktober geschieden ist, soll er mehrfach gesagt haben: »Allah will nicht, dass ich diese Tabletten nehme. Allah hat seine eigenen Wege, mich gesund zu machen.« So wurde am Freitag bei einer Wohnungsdurchsuchung ein Rezept gefunden, mit dem ein Neurologe Dris H. Psychopharmaka verschrieben hatte. Der Moslem hatte das Rezept jedoch nicht eingelöst.
Dris H. hielt seit längerer Zeit Kontakt zum Bielefelder Staatsschutzkommissariat. Dieses erhoffte sich von dem Mann Informationen über die Islamistenszene Ostwestfalens, doch die Tipps des Mindeners erwiesen sich als wenig brauchbar - zumindest für die Staatsschützer. Deshalb sollte Dris H. am Freitagnachmittag mit einem Polizisten des Kommissariates für Organisierte Kriminalität bekanntgemacht werden, der sich künftig mit dem Gelegenheits-Informanten treffen wollte.
Die Zusammenkunft fand im McDonald's-Restaurant am Bielefelder Jahnplatz statt. Die beiden Kriminalbeamten und der Deutsch-Marokkaner saßen an einem Tisch in der Nähe der Theke. Etwa 30 Minuten lang unterhielten sich die drei Männer, als ein Polizist eine Veränderung bei Dris H. festgestellt haben muss. Auf die Frage »Wie fühlen Sie sich?« soll der Informant geantwortet habe, es gehe ihm nicht so gut und er schwitze. Daraufhin soll ein Kriminalbeamter dem Mann geraten haben, seine dicke Jacke auszuziehen. Dris H. zog die Jacke aus, drehte sich um und hängte sie auf die Stuhllehne. Als er sich wieder den Polizisten zuwandte, hatte er ein Küchenmesser mit 19 Zentimeter langer Klinge in der Hand, holte aus und wollte auf den Polizisten (44) des Kommissariats für Organisierte Kriminalität einstechen. Dieser zog wie im Reflex seine Dienstwaffe und traf den Angreifer tödlich in die Brust.
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Entscheidung für den Angriff auf den Polizisten von einer auf die andere Sekunde gefallen sein muss und in der Erkrankung des Täters begründet ist. In seiner Wohnung fanden Polizisten später ein Flugticket, mit dem Dris H. am Sonntag nach Casablanca fliegen wollte. »Jemand, der einen Angriff auf einen Polizisten plant, muss damit rechnen, überwältigt oder im schlimmsten Fall getötet zu werden und kann kaum davon ausgehen, zwei Tage später verreisen zu können«, sagte ein Ermittler. Auch das Flugticket spreche deshalb für eine Spontantat.
Der Hauptkommissar, der geschossen hatte, hat sich gestern erstmals im Beisein seines Anwaltes Dr. Klaus Diekmann geäußert. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn soll in Kürze eingestellt werden, da die Videoanlage des Restaurants die Notwehrsituation so dokumentiert hat, wie sie von beiden Polizisten beschrieben worden ist. Die Computerfestplatte, auf der das Geschehen in Farbbildern gespeichert wurde, ist von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Veröffentlicht werden die Bilder nicht.

Artikel vom 15.02.2005