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Leitartikel
Verantwortung

Streiche Volmer -
setze Fischer


Von Reinhard Brockmann
Am Straßenrand, mitten im Berliner Schneetreiben hat Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) gestern für eine Million ungeprüfter Visa an Osteuropäer die Verantwortung übernommen. Dabei benutzte er dreimal das Wort »Volmer-Erlass« und sagte: »Ich kenne das Spiel«.
Nach dem Rückzug seines ehemaligen Staatsministers aus weiteren Positionen, aber nicht vom Bundestagsmandat, übernahm Fischer »aus Prinzip« auch die Haftung für Fehler seiner Mitarbeiter, also auch für Volmer.
Fischer ist in höchster Not, seit vor acht Tagen der selbst vom Kanzler und dessen Vize gefürchtete »Spiegel« titelte: »Fischers Schleuser-Erlass, Grünes Licht für Menschenhändler«.
Streiche »Volmer«, setze »Fischer«: Erst jetzt, nachdem fast vier Jahre das Außenministerium alle Sicherheitsbedenken des Innenministers unterlief, kocht die Affäre hoch. Fischer und Schröder hoffen, weil alles geheilt ist, die Sache aussitzen zu können.
Als im vergangenen Sommer CSU-Lautsprecher Michael Glos im Bundestag die damals schon weitgehend bekannte Visa-Affäre aufgriff und den Minister »Schleusertum« unterstellte, war der Oppositionsmann von seiner spontanen Wortwahl selbst dermaßen überrascht, dass er sich entschuldigte.
Dabei ist es genau das, wofür Fischer seit gestern die »Verantwortung« übernimmt:Für das Umfeld von Prostitution, Menschenhandel, Arbeiterstrich, Schlepperkriminalität und permanenten Rechtsbruch durch Bundesbehörden. Weil Männer für drei Euro Stundenlohn schufteten und in Erdhöhlen hausten, weil Frauen durch Bordelle geprügelt wurden und weil angebliche Touristen am Ende als Arbeiterkolonne in Portugal schufteten, ist die grüne Traumblase geplatzt.
Fischer steht im Schnee und behauptet, er kenne keine Einzelheiten. Dabei sind seit Wochen die Zeitungen voll davon. Auf seiner Flugreise ins ferne Neuseeland hätte er gut einiges nachlesen können.
Nein, Fischer ist auf der Flucht vor der Verantwortung. Warum gibt er nicht zu, dass er sich geirrt hat, dass das Ideal von grün-multikultureller Ausländerpolitik die heile Welt schlechthin ist? Die freihändige Visa-Vergabe gegen alle Warnungen und frühzeitigen Hinweise aus Kiew, Minsk und Moskau sind grüner Glaube an das Gute im Menschen reinster Art. Deshalb wurden mindestens vier einschlägige Warnungen von Innenminister Otto Schily über die Jahre in den Wind geschlagen. Deshalb, hat Volmer die »Bescheider« in den Deutschen Botschaften zu »Abnickern« offensichtlich gefälschter Papiere gemacht.
Seit der Spuk vorbei ist, müssen es jetzt die wirklich untadeligen Antragsteller ausbaden. So hat die »Aktion Brückenschlag« aus Bad Salzuflen trotz 74 Lkw mit Hilfsgütern in zwölf Jahren die allergrößten Schwierigkeiten mit deutschen Diplomaten.
Gut zu wissen, dass Joschka Fischer die Verantwortung übernommen hat.

Artikel vom 15.02.2005