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Clement drängt auf Reform

Studie: Deutschland hat die höchsten Unternehmenssteuern

Berlin (Reuters). Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat Kritik an Finanzminister Hans Eichel geübt, weil dieser eine Reform der Unternehmensbesteuerung frühestens im übernächsten Jahr verwirklichen will.

Clement bezeichnete Äußerungen Eichels, wonach die Reform frühestens 2007 in Kraft treten könne, gestern in Berlin als problematisch. »Wir brauchen die Reform dann, wenn die Reformvorschläge und die Konzepte fertig sind«, sagte Clement im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Zugleich trat er aber dem Eindruck entgegen, er habe einen Konflikt mit Eichel. Der Finanzminister hatte dem »Handelsblatt« gesagt, eine solche Reform könne man »nicht aus der Hüfte schießen« und unterstrichen: »Wenn wir das bis 2007 schaffen, und davon gehe ich aus, sind wir wirklich gut.« Clement sagte, über den Zeitplan für die Reform werde gesprochen. Er selbst habe nie einen Zeitpunkt genannt: »Ich habe mich ja nicht festgelegt auf 2007 oder sonstiges.«
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) veröffentlichte indes eine Studie, wonach Kapitalgesellschaften in Deutschland im Schnitt mit einem effektiven Steuersatz von 36,1 Prozent belastet werden. Das ist der höchste Satz unter den 23 untersuchten europäischen Länden. Mit 33,1 Prozent liegt demnach Frankreich an zweiter Stelle. Am niedrigsten liegt der effektive Satz in Litauen mit 12,8 Prozent, wobei die Unternehmenssteuern in den osteuropäischen Ländern insgesamt tendenziell niedriger sind als in den alten EU-Mitgliedsstaaten in Westeuropa.
Der ZEW-Steuerexperte Friedrich Heinemann sagte, damit Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb konkurrenzfähig bleibe, müssten auch hier zu Lande die Sätze sinken. »Der Vergleich zeigt, Deutschland hat Nachholbedarf, auch wegen der Dynamik in den anderen europäischen Ländern«, sagte er. Eichel hatte dagegen gesagt, schon jetzt zahlten Kapitalgesellschaften in Deutschland auf Grund der zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht zu viel Steuern.
Wegen der anhaltenden Meinungsverschiedenheiten in der Regierung bescheinigte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel Schröder Führungsschwäche. Sie sprach von Tohuwabohu. Eichel und Clement seien sich nicht einig. Vor allem mittelständischen Firmen müsse geholfen werden.
Die Unions-Bundestagsfraktion will der Bundesregierung einen »Pakt für Deutschland« gegen die Rekord-Arbeitslosigkeit anbieten. Dazu schlägt die Fraktion ein Zehn-Punkte-Sofortprogramm vor sowie Gespräche über Reformen in der Steuer- und Bildungspolitik.
Noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2006 könnten konkrete Gesetzesänderungen vorgenommen werden, heißt es im Entwurf für einen Antrag der Unions-Fraktion für die Bundestagsdebatte zur Arbeitsmarktpolitik am Donnerstag. Darin bekräftigen CDU und CSU ihre Forderung nach einer Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 1,5 Punkte auf fünf Prozent des Arbeitnehmereinkommens. Damit könne die Voraussetzung für 150000 wettbewerbsfähige Stellen geschaffen werden.
Die Unions-Fraktion wiederholt darüber hinaus ihre Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten und nach einem Konzept zur Reform der Unternehmenssteuern. In dem Antrag, der heute von der Unions-Fraktion beschlossen werden soll, werden außerdem Änderungen bei der betrieblichen Mitbestimmung und Entlastungen des Mittelstandes etwa durch den Verzicht auf die Pflicht zur Bestellung von Sicherheitskräften und Betriebsärzten in Kleinbetrieben verlangt.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat sich nach den Arbeitgebern und der Union auch für eine Beitragssenkung bei der Arbeitslosenversicherung ausgesprochen. Dies solle aber mit einem längeren Bezug von Arbeitslosengeld und einer besseren Qualifizierung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer kombiniert werden.

Artikel vom 15.02.2005