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Reparaturen nahmen keine Ende

Peter Bussick - Acht Jahre Hausmeister in 41 Paderborner Wohnheimen

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WV). Ob in Schulen, großen Wohnanlagen oder Heimen - das Hausmeisterleben ist nirgends ein Zuckerschlecken. Essigsauer aber kann dieser Job werden, wenn man es mit Gästen aus der Fremde zu tun bekommt. Peter Bussick kann ein Klagelied davon singen. Er war acht Jahre lang für die Ordnung in den 41 Aussiedler- und Asylbewerberhäusern der Stadt Paderborn zuständig.
Peter Bussick hat so viel zu erzählen, dass er nicht nur ein Buch schreiben könnte, er hat es auch getan: »Ein Hausmeister, Aussiedler, Flüchtlinge und Asylanten« erzählt von verschiedensten Menschen in Paderborn.

Vor nunmehr knapp elf Jahren bewarb sich der gelernte Elektriker bei der Stadt um die frei gewordene Hausmeister-Position -Ê ein wenig »blauäugig«, wie er schnell erfahren musste. »Auch wenn ich wusste, dass Realität und Vorstellung zumeist nicht übereinstimmen, hätte ich mir in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt, dass sie so weit auseinander liegen würden«, blickt er heute auf diese Zeit zurück.
Was er in seinem 50-Wochenstunden-Job mit ungezählten nächtlichen Noteinsätzen erleben musste, hat der 63-jährige Frührentner jetzt sorgfältig aufgeschrieben. Sein Buch »Ein Hausmeister, Aussiedler, Flüchtlinge und Asylanten« ist ein Lehrstück über die Hilflosigkeit des Staates angesichts der selbstverursachten Zuwandererschwemme in den neunziger Jahren.
Peter Bussick ist ein verträglicher und toleranter Mensch. Als Abteilungsleiter in der Produktion des Paderborner Computerunternehmens Nixdorf hatte er fast drei Jahrzehnte lang Kontakt mit vielen ausländischen Mitbürgern aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen. Doch die tägliche Arbeit mit den Asylbewerbern und Flüchtlingen in den überfüllten Unterkünften der Stadt ließen ihn zunehmend resignieren. Unerträglicher Gestank und Dreck in Fluren und Küchen, völlig verdreckte Toiletten, Urinlachen und Fixer-Spritzen in den Außenanlagen sowie Müll und Ungeziefer waren nur äußerliche Missstände, denen schwer beizukommen gewesen sei.
Die größten Probleme bekamen Bussick und seine zwei Kollegen mit Asylbewerbern aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Albanien und einigen afrikanischen Staaten, berichtet der nach einer Wirbelsäulen-Operation aus dem Dienst ausgeschiedene Heimbetreuer. »Immer wieder wurden Einrichtungsgegenstände mutwillig beschädigt oder gestohlen.« Die Liste der in Auftrag gegebenen Reparaturen nahm kein Ende: zerbrochene Waschbecken, zerstörte Türen und Fensterscheiben, entwendete Wasserhähne und Dachrinnen sowie beschädigtes Mobilar waren an der Tagesordnung. »Etwa achtzig Prozent derer, die nachts klammheimlich ihre Räume auf Nimmerwiedersehen verließen, hinterließen teilweise derart große Zerstörungen und Schmutz, dass einem ein Kloß im Halse stecken blieb.«
Dabei war Hausmeister Bussick Kummer gewöhnt: Zimmer, die zum Abort umfunktioniert worden waren, auf dem Dachboden gelagertes Diebesgut, Polizeieinsätze gegen Randalierer, Hausschlachtungen von Ziegen, Drogenhandel und Menschenschmuggel aber vermochten in all den Jahren seine Motivation nicht zu erschüttern. »Die Situation war für alle Ankömmlinge vollkommen unzumutbar«, beklagt Bussick fehlendes politisches Augenmaß bei der Bewältigung des Zustroms. »Den Aussiedlern und Flüchtlingen standen fünf Quadratmeter pro Person zur Verfügung. Die Unterkünfte waren damals bis zum Stehkragen voll.« Bis zu vier Personen aus unterschiedlichen Nationalitäten und Glaubensrichtungen hätten sich einen Raum teilen müssen.
Personen und Familien, die sich helfen lassen wollten, waren bei Hausmeister Bussick aber immer an der richtigen Adresse. »Ich wurde von den meisten Bewohnern akzeptiert«, bemühte sich der gebürtige Neuhäuser stets um ein verträgliches Klima bei allem herrschenden Chaos. »Eine Familie unterstütze ich heute noch, und hin und wieder treffe ich Asylbewerber in der Stadt, die mich wiedererkennen und freundlich grüßen.«
Dabei hat Bussick durchaus auch positive Erfahrungen im Job gemacht. Vor allem über die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien weiß es Gutes zu berichten. »Die Leute waren überwiegend sauber und fleißig, die wollten das Elend in ihrer Heimat hinter sich lassen«, zieht er noch nachträglich den Hut vor ihnen.
Er hat auch nicht vergessen, wie ihm Bewohner bei seinen Arbeitsbesuchen Tee gekocht, ihn zu einem Plausch auf ihr ordentlich eingerichtetes Zimmer gebeten oder ein Weihnachtsgeschenk überreicht haben. Und die Bemühungen einzelner Asylbewerber, vor den tristen Baracken ein kleines Blumengärtchen anzulegen oder aus gesammeltem Schrott einen Rasenmäher zu basteln, zaubern dann tatsächlich ein dankbares Lächeln auf sein zerfurchtes Gesicht. Peter Bussick, Ein Hausmeister, Aussiedler, Flüchtlinge und Asylanten, Verlag Books on Demand, Norderstedt 2004, 9,90 Euro

Artikel vom 05.03.2005