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Videokamera
entlastet den Kripofahnder

Bielefeld: der Täter war verwirrt

Von Jens Heinze und
Hans-Werner Büscher
Bielefeld (WB). Der Hauptkommissar (44) der Bielefelder Kripo, der Freitag den mit einem Messer bewaffneten Deutsch-Marokkaner Dris H. (41) erschossen hat, hat eindeutig aus Notwehr zur Dienstwaffe gegriffen. Das ergab die Auswertung der Videoüberwachung vom Tatort. Wie aus Polizeikreisen verlautete, soll Dris H. geistig verwirrt gewesen sein.
Spurensicherung nach der Schießerei: Erst kurz vor Mitternacht gab die Polizei das Bielefelder McDonald's-Restaurant am Freitag wieder frei.

Der ermittelnde Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede erklärte, dass der Tatort, das McDonald's-Schnellrestaurant am Jahnplatz, von zahlreichen Videokameras überwacht werde. Wie die Auswertung der Aufzeichnung ergab, haben der Hauptkommissar, der später zur Neun-Millimeter-Pistole vom Typ Sig-Sauer P 6 griff, ein zweiter Zivilfahnder der Polizei Bielefeld und der aus Minden stammende Deutsch-Marokkaner Dris H. an einem Tisch nahe der Theke gesessen. Direkt auf die Gruppe, die sich Freitag gegen 15.30 Uhr im McDonald's traf, war eine Videokamera gerichtet, die im Sekundentakt Fotos erstellte und das spätere Geschehen fast lückenlos dokumentierte.
So sollen sich die Beamten und Polizeiinformant Dris H., der um das Treffen gebeten hatte, etwa zehn Minuten lang ganz ruhig unterhalten haben. Dann stand der Marokkaner auf, drehte sich um, zog die Jacke aus und hielt plötzlich ein Küchenmesser mit 19 Zentimeter langer und vier Zentimeter breiter Klinge in der rechten Hand. Die Waffe hatte er in der Kleidung versteckt.
Mit hoch erhobenem Messer, so Heidbrede, sei Dris H. direkt auf den überraschten Hauptkommissar losgegangen. Dieser habe »in Notwehr« zur Dienstwaffe gegriffen und um 15.42 Uhr einen einzigen Schuss abgegeben. Das Neun-Millimeter-Projektil traf den Deutsch-Marokkaner - das ergab die Obduktion der Leiche - in die linke Achselhöhle und durchschlug unter anderem das Herz. Bevor der 41-Jährige tot im Schnellrestaurant zusammen brach, versuchte er noch mit letzter Kraft, auf den Hauptkommissar einzustechen. Der wehrte die Attacke mit Händen sowie Füßen ab und blieb unverletzt.
Wie es aus Polizeikreisen hieß, soll der gebürtige Marokkaner mit deutscher Staatsbürgerschaft seit geraumer Zeit psychisch krank und in Behandlung gewesen sein. Der Vater einer eineinhalbjährigen Tochter hatte offenbar die Scheidung von seiner deutschen Frau im Oktober 2004 nicht verwunden. Zudem soll es zwischen den Eltern zum Sorgerechtsstreit um die Tochter gekommen sein. Man könne nicht ausschließen, dass Dris H. bewusst ein Treffen mit der Kripo herbeigeführt habe, um sich erschießen zu lassen.
Dazu wollte Staatsanwalt Heidbrede nicht Stellung nehmen. Er bestätigte aber, dass der Hauptkommissar, der geschossen habe, noch nicht vernommen worden sei. Der 44-Jährige, den Kripokollegen als »erfahren und sehr besonnen« schilderten, stehe noch unter Schock. Weiterer Bericht im Lokalteil.

Artikel vom 14.02.2005