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Mit dem Messer
durch die Torte

Kammerspiele zeigen Miller-Stück

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WB). Die Westfälischen Kammerspiele haben am schnellsten auf die Nachricht vom Tod des Schriftstellers Arthur Miller »reagiert«. Noch am gleichen Abend hatte sein Stück »Tod eines Handlungsreisenden« im Theater am Rathausplatz Premiere.

Das zufällige zeitliche Aufeinandertreffen der beiden Ereignisse am vergangenen Freitag verschaffte der Paderborner Inszenierung eine ganz unerwartete aktuelle Note. Und die Regiearbeit von Irmgard Lübke vermochte den ungeplanten Aufmerksamkeitseffekt durchaus für sich zu nutzen. Die fast dreistündige, dabei dichte und stringente Umsetzung des Dramenstoffs wurde dem wohl bekanntesten Werk des US-Autors, der dafür 1949 mit dem Pulitzer-Preis geehrt wurde, vollauf gerecht und lieferte eine sehenswerte szenische Aufarbeitung der Familienkatastrophe.
Willy Loman ist am Ende. Der erfolglose Handlungsreisende hat zeitlebens an das große Glück geglaubt und steht nun, da die Geschäfte immer schlechter gehen, vor den Trümmern seines zerplatzten Lebenstraums. Der »Low Man«, der kleine Mann des amerikanischen Wirtschaftswunders, muss sich eingestehen, dass er seiner Familie nicht den erhofften Wohlstand ermöglichen konnte. Auch die Hoffnungen, die er in seine beiden Söhne gesetzt hat, haben sich als Selbstbetrug erwiesen. Als letzter Ausweg bleibt ihm nur der Selbstmord - ein tödlicher Autounfall würde seiner Familie zumindest noch eine erkleckliche Versicherungssumme einbringen...
In der Kammerspiel-Inszenierung bleibt der Schluss offen. Doch die demaskierte Lebenslüge lässt kein Happy-End mehr zu. Loman ist gescheitert, und seine Familie fügt sich - jeder auf seine Weise - in das unabänderliche Schicksal. Hinter der bröckelnden Fassade von Lebenszuversicht und Ehrgeiz stehen nur noch Resignation und Fatalismus.
Auch ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung wirkt der »Tod des Handlungsreisenden« aktuell und modern. Das Stück solle »durch die Zeit schneiden wie das Messer durch eine Torte«, hatte Arthur Miller selbst gefordert. Und die wird auch heute noch ganz ähnlich zerteilt wie in den fünfziger Jahren. Wer dem Leistungsdruck in Schule und Beruf nicht gewachsen ist und der urbanen Kälte nichts entgegenzusetzen hat, kippt auf die Seite.
Für die präzise Charakterzeichnung des Spielensembles, in dem Willi Hagemeier in der Titelrolle und Sven Reese als sein ältester Sohn Biff die darstellerischen Glanzpunkte setzen, gab es vom Premierenpublikum lang anhaltenden Applaus und verdiente »Bravos«. Nächste Aufführungen am 17., 18., 19., 20., 24., 25. und 26. Februar (jeweils 19.30 Uhr). Karten unter Ruf 05251/88-2634.

Artikel vom 14.02.2005