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Die Familie zählt nicht viel

Ursula von der Leyen zieht »beschämende« Bilanz

Von Dirk Schröder
Detmold (WB). Die Familienpolitik in Deutschland habe fast alle Ziele verfehlt. Deutschland gelte als das Kinder-unfreundlichste Land in Europa. Diese »bittere und beschämende Bilanz« hat die niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit vor dem Liberalen Netzwerk Lippe in Detmold gezogen.
»Müssen neue Wege gehen«: Ursula von der Leyen.
Die 46-jährige CDU-Politikerin, Tochter des früheren CDU-Spitzenpolitikers Ernst Albrecht und Mutter von sieben Kindern, forderte nachdrücklich ein Umdenken in der Familienpolitik. Die Bedingungen für Familien und Kinder müssten sich grundlegend ändern, sonst werde unser Land weiter schweren Schaden nehmen. Der Staat müsse die Rahmenbedingungen schaffen, dass die kleinste Einheit, die Familie, sich selbst helfen könne. Löhne, Gehälter und Renten seien kontinuierlich gestiegen, während sich in Relation dazu der Familienlastenausgleich zu Ungunsten der Familien verschoben habe. Die Gründung einer Familie sei heutzutage gleichbedeutend mit sinkendem Wohlstand.
Die Ministerin beklagte, dass in Deutschland gut ausgebildete Frauen vom Arbeitsmarkt »verschwinden«, wenn sie Kinder bekommen. »Bei uns herrscht noch immer die Entweder-Oder-Haltung.« Zwar wünschten sich 80 Prozent der Studentinnen in Deutschland mindestens ein Kind, aber 42 Prozent der Akademikerinnen blieben schließlich kinderlos. 60 Prozent der Frauen in Führungspositionen hätten kein Kind. Dahinter stünden nicht nur selbstsüchtige Paare, vielmehr müssten die jungen Leute erkennen, dass Kinder und Beruf nach wie vor kaum vereinbar seien, sie mit Kindern kaum Geld ansparen könnten.
Ursula von der Leyen wies darauf hin, dass viele berufstätige Paare auch noch ein zweites oder drittes Kind wollten, aber um den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten. »Diese Furcht muss weg, wir müssen eine wirkliche Wahlfreiheit schaffen«, verwies sie auf andere europäische Länder, in denen es für die meisten Frauen üblich ist, eine Familie zu haben und berufstätig zu sein.
In Niedersachsen hat die Ministerin bereits damit angefangen, die Weichen umzustellen. Ihr Ministerium begleitet zum Beispiel Programme, in denen allein erziehenden Sozialhilfeempfängerinnen ohne Schulabschluss in Zusammenarbeit mit Kommunen und Kammern einen qualifizierten Berufsabschluss erhalten. In ihrem Ministerium gibt es ein »Eltern-Kind-Büro«. Dort können Eltern arbeiten - mit dem Kind zusammen, wenn die Betreuung woanders ausgefallen ist.
Nach den Vorstellungen Ursula von der Leyens sollen in Niedersachsen 50 Mehrgenerationenhäuser installiert werden. Die Ministerin: »Altenbegegnung, Jugentreff, Mütterzentrum, Krabbelgruppe, Selbsthilfegruppen - wir bündeln dies unter einem Dach.«
Auch wird mittlerweile jedes Gesetz auf seine familientauglichkeit hin überprüft. Ursula von der Leyen: »Das alles sind kleine Bausteine, die es den Familien aber so leicht wie möglich machen sollen.«

Artikel vom 14.02.2005