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Filmwelt ohne
»Europudding«

Die Kultur der Untertitel pflegen

Von Klaus Gosmann
Berlin (WB). Es gibt ein gängiges Vorurteil gegenüber französischen Filmen: Sie plätschern lustig vor sich hin und man weiß oft nicht, worauf sie hinaus wollen. Auf den im Wettbewerb der Berlinale gezeigten Film »Les Temps Qui Changent« trifft leider beides zu.
In Berlin gefeiert: National-Ikone Catherine Deneuve.

Trotz Starbesetzung mit den beiden National-Ikonen der Grand Nation, Catherine Deneuve und Gérard Depardieu, hinterlässt die launige Geschichte über einen tapsigen Baustellenleiter, der in der Exotik von Tanger seiner ehemaligen Freundin Cécile nach 30 Jahren Funkstille hinterherstellt, allenfalls Ratlosigkeit. Der Film von Regisseur André Téchiné scheitert keineswegs an seinen Hauptdarstellern, die über jeden Verdacht erhaben sind, sondern an viel zu vielen Neben-Handlungssträngen, die am Ende nutzlos in der schwülen nordafrikanischen Luft herumschwirren und niemals aufgelöst werden.
Über nicht gerade wenig Handlungsstränge - insgesamt sind es vier - verfügt auch der Wettbewerbsfilm »One day in Europe«, eine deutsch-spanische Co-Produktion. Vor dem Hintergrund eines in Moskau stattfindenden Champions-League-Finales portraitiert Regisseur Hannes Stöhr Touristen, die zeitgleich in vier verschiedenen Städten - Moskau, Istanbul, Santiago de Compostela und Berlin - in Diebstähle verwickelt werden. Dabei geht es jedoch nur am Rande um Kriminalität und noch viel weniger um Fußball, denn der findet zumeist nur auf den Fernsehern der Polizeidienststellen statt, in denen die Überfälle gemeldet werden. »Es ist ein Film über Sprache«, bekundet Stöhr während der Pressekonferenz. Auf dieser herrschte dank der internationalen Besetzung des Episodenfilms eine genauso charmante babylonische Sprachenverwirrung wie im Film auf den verschiedenen Polizeiwachen. Stöhrs nach eigener Einschätzung »burleske Komödie« hat einige Längen, die Grundidee wird bisweilen etwas statisch umgesetzt, aber diese Mängel werden durch ein gut geschultes Auge für die passenden Schauspieler und viele überzeugende Einfälle ausgeglichen - zum Beispiel, wenn der Taxifahrer in Istanbul (Erdal Yildiz) seinen deutschen Gast aus Cottbus (Florian Lukas) mit lupenreinem schwäbischen Akzent überrascht. Dem in Stuttgart geborenen Filmemacher ist es wichtiger, ein Europa der Regionen als eines der Nationen zu skizzieren (siehe Niederlausitz und Schwabenland). Während Stöhr den Fußball als Phänomen verstanden wissen will, das die Menschen verschiedenster Regionen und Nationalitäten zusammen bringt, fordert er in der Filmwelt eine Kultur der Untertitel: »Sonst wird es Europudding!«

Artikel vom 14.02.2005