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»Das sind amerikanische Verhältnisse«

Nach der Schießerei bei McDonald's brach unter den etwa 50 Kunden eine Massenpanik aus

Von Jens Heinze und
Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Eben saß sie noch friedlich bei McDonald's am Jahnplatz vor ihrem Hamburger - jetzt hockt die Frau auf einer Bank an der Bushaltestelle vorm Schnellrestaurant und reibt sich immer wieder über ihr schmerzendes Bein. Silke M. (Name geändert) ist Freitag Nachmittag Opfer der Panik nach der Schießerei bei McDonald's geworden.

»Das war schon heftig. Wir dachten erst, da wäre ein Luftballon zerplatzt«, beschreibt der Freund von Silke M. die ersten Eindrücke. Doch der heftige Knall am gestrigen Freitag gegen 15.40 Uhr im Schnellrestaurant stammte nicht von einem zerplatzenden Ballon, sondern ein Bielefelder Kripobeamter (44) hatte an einem Tisch direkt vor der Theke mit seiner Dienstwaffe auf einen Angreifer geschossen. Der 42-jährige Marokkaner, der den Zivilfahnder und seinen Kollegen Polizeiangaben zufolge aus bislang unbekanntem Grund mit einem großen Brotmesser attackieren wollte, wurde von der Polizeikugel in den Brustbereich getroffen und ist tot.
Sofort nach dem Schuss, so berichten die Augenzeugen Silke M. und ihr Freund, seien die ersten der 40 bis 50 Kunden schreiend aus dem McDonald's am Jahnplatz gelaufen. Auch die Frau und ihr Bekannter wollen ins Freie. Bevor sie losrennen, blicken sie noch einmal zum Tatort vor der Theke, sehen, dass ein Mann auf dem Boden davor zusammengebrochen ist und sich nicht mehr bewegt.
Dann kommt es zu einer Panik, als immer mehr Flüchtende zur Tür stürmen - einige wie Silke M. stürzen zu Boden, andere trampeln über sie hinweg. »Man kann noch nicht einmal in Ruhe essen gehen. Das sind amerikanische Verhältnisse hier in Bielefeld«, sagt die noch sichtlich geschockte Frau mit Anspielung auf die vielen Gewalttaten in den USA und reibt sich wieder über das vom Sturz schmerzende Knie.
Unterdessen kommt 30 Minuten, nachdem der Kripobeamte geschossen hat, Bewegung in die Schaufensterfront des Schnellrestaurants. Hunderte Schaulustige hinter dem weiträumig über den Gehweg gespannten rot-weißen Flatterband der Polizei sehen zu, wie Rettungsassistenten und uniformierte Ordnungshüter Alufolien und Tücher vor Fenster und Tür spannen. Als weitere Schutzmaßnahme vor unerwünschten Einblicken auf den Tatort werden Streifenwagen in einer Doppelreihe vor das McDonald's gefahren. Auch hier gibt es wieder Sichtschutz - rot-weiße Polizeiwesten werden vor die Seitenscheiben der grünen Fahrzeuge gehängt.
Während Ordnungshüter allzu aufdringliche Gaffer immer wieder in Richtung Bushaltestelle Jahnplatz abdrängen müssen, darf McDonald's-Pächter Arndt Heiderich sein Schnellrestaurant betreten. Der Nachbar, Michael Wernemann von der angrenzenden Fischgaststätte, schaut immer wieder vor seiner Tür nach dem Rechten. Wernemann, dessen Keller-Restaurant direkt unter dem Mc-Donald's liegt, wurde Ohrenzeuge, als der Kripobeamte den Schuss abfeuerte. »Es hat einmal richtig gescheppert und gerumst. Ich dachte erst, ein Tisch wäre umgefallen«, so der Gastronom.
Polizeipräsident Erwin Südfeld war Freitag Abend nicht bereit, den tödlichen Schuss des Kripobeamten zu kommentieren. Polizeisprecher Martin Schultz erklärte, dass es sich beim Einsatz der beiden Zivilfahnder nicht um eine Festnahme gehandelt habe. Der Marokkaner habe unvermittelt mit dem Messer angegriffen. Schultz: »Wie man als Polizist in solch einer lebensbedrohenden Situation reagiert, dass muss jeder für sich selbst entscheiden.«

Artikel vom 12.02.2005