14.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Europas Gewicht in
der NATO stärken«

Schröder sorgt für Wirbel auf Sicherheitskonferenz

München (ddp). Die Bundesregierung setzt trotz neuer Misstöne in der Debatte über eine NATO-Reform auf eine bessere Zusammenarbeit mit den USA.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) betonte gestern auf der Münchner Sicherheitskonferenz, der bevorstehende Besuch von US-Präsident George W. Bush in Brüssel sei hierbei von sehr großer Bedeutung. Zuvor hatte der Ruf von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach einem stärkeren Gewicht Europas und einer besseren Abstimmung in der Allianz für erheblichen Wirbel gesorgt.
Dagegen gab es breite Zustimmung für das Werben von UN-Generalsekretär Kofi Annan für eine Reform der Vereinten Nationen. Annan mahnte gestern, es müssten die Konsequenzen aus den neuen Bedrohungen etwa durch den internationalen Terrorismus gezogen werden. Er forderte Europa und die USA zur Mithilfe auf.
Annan mahnte, es müsse rasch gehandelt werden. Dann könne die Weltgemeinschaft bald über ein wirksameres System der kollektiven Sicherheit verfügen. Annan fügte hinzu: »Und wenn Sie an die Menschen denken, die heute im Sudan und anderswo ihr Leben verlieren, wäre dies ein kostbares Geschenk an die Menschheit.«
In der NATO-Debatte wandten sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer am Samstag gegen den Vorwurf, dass die Allianz ihren Aufgaben nicht mehr gerecht wird. Sie reagierten zudem mit Skepsis auf die Forderung Schröders, ein Gremium unabhängiger Persönlichkeiten solle einen Vorschlag zu den künftigen Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Amerika und der EU erarbeiten.
Für Irritationen unter den etwa 250 Teilnehmern der Konferenz sorgte die Kritik des Kanzlers, die NATO sei »nicht mehr der primäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre strategischen Vorstellungen konsultieren und koordinieren«. Dasselbe gelte für den Dialog zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, der in seiner heutigen Form weder dem wachsenden Gewicht der EU noch den neuen Anforderungen transatlantischer Zusammenarbeit entspreche.
Von einigen Konferenzteilnehmern wurden diese Worte als Abkehr des Bundeskanzlers von der NATO verstanden. Schröder selbst konnte seine Ziele nicht erläutern, weil er wegen einer Krankheit nicht nach München gekommen war und seine Rede von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) verlesen ließ. Dieser stellte schließlich klar, dem Kanzler gehe es nicht um eine »Beerdigung« der NATO. Ziel sei es vielmehr, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Allianz zu verbessern.
Rumsfeld entgegnete, er habe das Gefühl, dass bereits jetzt in der NATO alle wichtigen Fragen angesprochen werden. Zu dem von Schröder vorgeschlagenen Gremium sagte der US-Verteidigungsminister, grundsätzlich sollte man »vorsichtig« sein, wenn hochrangige Gruppen für andere die Probleme lösen sollten.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel mahnte, die NATO müsse wieder zum zentralen Diskussionsforum der strategischen Vorstellungen der transatlantischen Partner werden. Kritik am Kanzler-Vorstoß kam vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Der CSU-Chef betonte am Samstagabend bei der Verleihung des »Friedenspreises der Münchner Sicherheitskonferenz« an Annan, das NATO-Bündnis müsse von innen verändert werden.
Bei Demonstrationen gegen die Sicherheitskonferenz kam es auch in diesem Jahr zu Ausschreitungen. Insgesamt 49 Personen wurden festgenommen.

Artikel vom 14.02.2005