12.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Michael Schläger

Bielefelder Optik

Wenig Geld - viel Verantwortung


Geht es um das Thema Schule, so gibt es im Land eine jahrzehntelang erfolgreiche Arbeitsteilung. Der Schulträger, die Stadt, sorgt für die »Hardware«, die Schulgebäude, die Sporthallen, die Hausmeister und Reinigungskräfte. Das Land ist für die »Software« zuständig, die Versorgung mit Lehrern, die Lehrpläne, die inhaltliche Ausgestaltung von Schule. Doch in Zeiten leerer Kasse lädt der ein Partner gern etwas beim anderen ab. Meistens tut es das Land bei der Kommune. Die »offene Ganztagsgrundschule« ist so ein Beispiel dafür.
Da klemmt es in einer brennenden gesellschaftlichen Frage. Angesichts von immer mehr »Ein-Eltern-Familien« oder Vätern und Müttern, die beide arbeiten müssen, wurde das Betreuungsproblem immer größer. Während in Frankreich oder England »ganztags« obligatorisch ist, wurde hierzulande die gesellschaftliche Entwicklung jahrzehntelang verkannt und verdrängt.
Ganztagsunterricht gab es obligatorisch nur im Hätschelkind Gesamtschule. Dieser Zustand musste sich irgendwann rächen. Doch die Schulpolitiker in Düsseldorf verfielen auf eine aus ihrer Sicht kluge Idee. Sie gaben ein bisschen Geld und viel Verantwortung an die Schulen und die Schulträger. Die sollten in Eigenregie die Betreuung organisieren. Verbrämt wurde das damit, dass man in den Kommunen schließlich sehr viel besser wisse, wie eine individuelle Betreuung aussehen müsse.
Nun haben die Schulen gute Arbeit geleistet. Die Angebote sind aller Ehren wert. Aber jetzt hat auch die Politik vor Ort das Thema für sich entdeckt. Rot-Grün im Schulausschuss des Rates will die Elternbeiträge gerechter verteilen, damit es nicht vermeintlich »reiche« und »arme« Grundschulen gibt. Richtlinien sollen her, nach denen alle Schulen arbeiten müssen. Die Union beklagt den teuren Zentralismus beim Entgelteinzug. Für sie ist die offene Ganztagsschule ein »Notnagel«, aber immerhin einer, aus dem die Schulen das Beste gemacht haben.
Flugs gibt es wieder eine Ideologie-Debatte vor Ort. Fast so wie früher, als man sich um die Gesamtschulen stritt. Aber genau hier gehört eine solche Debatte nicht hin. Ein bisschen mehr Pragmatismus täte der Schulpolitik gut. Und Ehrlichkeit.
Letztlich macht es nämlich wenig Sinn, wenn ein Teil der Schüler bis nachmittags betreut wird und in dieser Zeit auch etwas lernen soll, die anderen Kinder aber zu Hause sind. Sinn würde es machen, wenn es eine einheitliche Grundschule mit Nachmittagsunterricht für alle gäbe. Aber so etwas wäre Sache des Landes und kostete Geld, viel Geld sogar. Doch PISA & Co. zeigen, dass wir uns es nicht mehr leisten können, Bildungspolitik nur in der Sparversion zu betreiben.

Artikel vom 12.02.2005