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Waisen im Flutgebiet
finden neues Zuhause

Verein will im Osten Sri Lankas drei Heime einrichten

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Das »Westfälische Kinderdorf e.V.« mit Sitz in Paderborn wird in der Flutregion Sri Lankas drei Waisenhäuser einrichten. Das erklärte am Freitag der Lemgoer Kinderarzt Dr. Karl-Ludwig Tracht (59), der dem Vereinsvorstand angehört und gerade von einer dreiwöchigen Reise aus Sri Lanka zurückgekehrt ist.

Tracht hatte als junger Arzt jahrelang in Entwicklungsländern gearbeitet. »Aber nirgendwo war es so schlimm wie an der Ostküste Sri Lankas«, erzählt er. Die Flut sei an einigen Orten kilometerweit ins Landesinnere gedrungen und habe Tod und Verwüstung in einem Ausmaß zurückgelassen, wie es Fernsehbilder nicht vermitteln könnten, sagte Tracht. »Die Wassermassen haben zum Beispiel ganze Friedhöfe umgepflügt«, berichtet er.
Der Kinderarzt war drei Wochen nach der Jahrhundertflut mit einem Koffer voll Medikamente in den Norden Sri Lankas geflogen. »Eine Lehrerin hat mich in ihr Haus aufgenommen, und ich habe mit Flugblättern an Bäumen auf meine Sprechstunde aufmerksam gemacht«, erzählt er. »Es kamen viele Menschen, die traumatisiert waren und sich psychisch bedingt todkrank fühlten. Da reichte es, dass ich sie auf Herz und Nieren untersuchte und ihnen versicherte, dass sie körperlich gesund waren.« Andere erschienen mit schlecht oder falsch verheilten Verletztungen in der Sprechstunde: »Wer unmittelbar nach der Flut etwa mit einem gebrochenen Arm ein Krankenhaus erreicht hatte, war dort gar nicht behandelt worden, weil es viele dringendere Fälle gegeben hatte«, erzählt Tracht, dessen besondere Sorge den vielen Waisen gilt: »Es gibt dort Kinder, die ihre ganze Familie verloren haben. Nachdem diesen Waisen aber wie allen Flutopfern 5000 Euro Entschädigung für ihr zerstörtes Haus versprochen worden sind, tauchen nun entfernte Verwandte auf und wollen die Kinder bei sich aufnehmen«, berichtet der Arzt. Es bestehe die Gefahr, dass die Pflegeeltern nur auf das Geld aus seien, das immerhin dem Wert eines guten, gemauerten Hauses entspreche. In diesen Fällen seien die Waisen vermutlich besser in einem Heim aufgehoben, meint der Mediziner.
»Es gab aber auch Witwer, die sich an mich gewendet haben und eine Betreuung für ihre Kinder suchen«, erzählt Karl-Ludwig Tracht. »Das waren zumeist Fischer, die die ganze Nacht auf dem Meer verbringen. Die müssen tagsüber schlafen und haben nun nach dem Tod ihrer Frau niemanden, der sich um die Kleinen kümmert.« Der Plan des »Westfälischen Kinderdorfes« sei es deshalb, in drei Städten entlang der Ostküste Kinderheime einzurichten: »Dann können die Väter den Kontakt zu ihren Kindern aufrechterhalten.«
In Jaffna im Norden hat Karl-Ludwig Tracht bereits ein großes Haus gefunden, in dem 40 Kinder Platz finden werden. »Das Westfälische Kinderdorf wird das Haus für 1000 Euro im Jahr mieten. Ein einheimisches Elternpaar soll das Heim leiten, und wir wollen versuchen, in Deutschland Paten zu finden, die mit 30 Euro monatlich für den Unterhalt eines Kindes aufkommen.« Um die organisatorischen Details kümmert sich derzeit ein tamilischer Betriebswirtschaftsstudent: »Er hat gerade die behördlichen Betriebsgenehmigungen für die drei Waisenhäuser beantragt«, erklärt der Lemgoer. Er rechnet deshalb damit, schon bald den ersten Kinder ein neues Zuhause geben zu können.

Artikel vom 12.02.2005