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In Viehwaggons abtransportiert

Gedenken an Deportation von fast 60 Juden am 13. Februar 1945


Bielefeld (hu). Am selben Tag, an dem der Bombenhagel auf Dresden niederging, wurden zwischen 58 und 60 Menschen jüdischer Abstammung von Bielefeld aus in Konzentrationslager verschleppt. Am 13. Februar 1945 wurden sie mit Viehwagen abtransportiert, zum »Arbeitseinsatz«, wie es offiziell hieß. Das Ziel - Theresienstadt - kannten sie damals noch nicht.
An dieses Geschehen vor genau 60 Jahren erinnerten gestern die Friedensgruppe der Altstädter Nicolaigemeinde, die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Deutsch-Israelische Gesellschaft bei einer Gedenkveranstaltung am Mahnmal vor dem Bielefelder Bahnhof.
Etwa 50 Teilnehmer waren zu der Veranstaltung gekommen, um an die damals Verschleppten, die durch das baldige Kriegsende alle überlebten, zu erinnern. Besonders begrüßte Martin Decker von der Friedensgruppe der Altstädter Nicolaikirche Wolfgang und Walter Heinemann. Der damals 21-jährige Wolfgang war am 13. Februar 1945 zusammen mit seinem Vater deportiert worden, sein Bruder Walter bereits zuvor am 19. September 1944.
Der Transportbefehl wurde von den Betroffenen als Todesurteil aufgefasst und mit Verzweiflung aufgenommen, erinnerte Decker. »Noch vor wenigen Tagen erzählte uns ein Überlebender, dass seine nichtjüdische Mutter mit den Worten reagierte: Lasst uns doch alle Schluss machen.« Und er zitierte die heute in Israel lebende Ruth Ehrmann: »Am Abend marschierten wir in Begleitung der SS zum Bielefelder Bahnhof. Wir wurden verladen wie Vieh in einen Viehwagon, der mit Stroh gepolstert war. Wir lagen wie Sardinen im Waggon.«
Nach einer Woche kamen die Transporte in Theresienstadt an, wo sie in dem überfüllten Lager um ihr Überleben kämpften. Wolfgang Heinemann musste bei der Feuerwehr des Lagers arbeiten und entlud die Waggons, mit denen weiter Häftlinge nach Theresienstadt gebracht wurden. Viele konnten nur noch als Leichen aus den Waggons geholt werden, so Decker.
Er dankte den Überlebenden, dass sie sich der »Qual der Erinnerung ausgesetzt« haben. Martin Decker: »Sie sind unsere Lehrer geworden.« Zum Schluss der Gedenkveranstaltung wurden die Namen von 110 von Bielefeld aus deportierten und ermordeten Kinder verlesen, Mitglieder der jüdischen Gemeinde sprachen das Gebet »Kaddish«.

Artikel vom 14.02.2005