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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs


Ist folgendes Zusammentreffen für Sie eine Überraschung oder empfinden Sie es als völlig normal?: Eine Gruppe junger Leute, kirchlich engagiert, macht einen Ausflug. Alle waren gerade in der Sonntagsmesse und haben im Ohr noch die Einladungen zu den Veranstaltungen der Fastenzeit. Sie kommen an die Kasse eines modernen »Spaßbades«, und das erste, was einigen in die Augen sticht, sind die überall herum liegenden bunten Hochglanzfaltblätter mit der Aufschrift »Fastenwoche«!
Auf dem Deckblatt blickt eine junge Frau verträumt mit ihrer Teeschale auf den Knien in die Weite. Die Botschaft des Bildes und die Botschaft des ganzen Faltblattes ist klar: »Wellness«! Wohlfühlen, einer der zugkräftigsten Begriffe also des modernen Lebensgefühls steht im Mittelpunkt. Alles, was in dem Programm angeboten wird, ist Tee, frische Luft, Wassertreten und Information. Aber es ist zum Wohlfühlen. Und dieses Wohlfühlen kann man sich - relativ teuer - einkaufen.
Die genannten Jugendlichen hatten gerade an der Kirchentür noch Handzettel verteilt, in denen auch eine Fastenwoche angeboten worden war - nur wie fast immer in kirchlichen Zusammenhängen, war dieses Angebot kostenlos. Mal abgesehen von diesem Kostenfaktor, macht dieses Zusammentreffen dennoch nachdenklich:
Wenn Leute hören, dass die Kirche zum Fasten einlädt, verstehen sie dies meist als Verzicht. Die Gläubigen sollen verzichten - und viele Menschen möchten so etwas heute nicht gerne hören. Wie oft wird deshalb besonders von außen den Kirchen die Rolle des Spaßverderbers zugeschoben. Wenige Meter weiter wird eine grundsätzlich sehr ähnliche Veranstaltung angeboten, die aber führt das (zumindest körperlich) gleiche Programm unter dem Titel »Wellness«. Und weil wir uns heute alle wohl fühlen möchten, wird der Kurs sicherlich gute Zustimmung finden.
Sie können sich als Leserinnen und Leser Ihre eigenen Gedanken zu diesem Nebeneinander machen. Mir kommt Verschiedenes in den Sinn: Wie gut ist es, dass Menschen, die keine Beziehung zu kirchlichen Gruppen haben, wenigstens im Spaßbad an eine sehr wichtige Form christlichen Leibfrömmigkeit herangeführt werden! Sie werden sicher anschließend wesentlich mehr Verständnis für diese religiöse Erfahrung aufbringen.
Irgendwann müssen die christlichen Kirchen aber auch einen Fehler gemacht haben. Denn wenn sie bei Jesus nachgelesen hätten, wäre ihnen aufgefallen, dass der von Anfang an die Christen aufgefordert hatte, ihre Formen des Fastens unter das Vorzeichen des Wohlfühlens zu stellen. Denn er spricht ausdrücklich davon, dass man kein finsteres Gesicht machen solle, man sich kein trübseliges Aussehen geben möge. Stattdessen solle man sich lieber frisch waschen und das Haar salben. (Mt 6, 16f) So weit ist dies also vom Wassertreten und von modernen Wohlfühlritualen gar nicht entfernt.
Schließlich fehlt dennoch im Spaßbad eine entscheidende Dimension: Die Sorge für das Wohlfühlen des Körpers hat für Christen nie ihren Zweck nur in sich. Der Körper ist immer Gefäß des ganzen Menschen. Und die christliche Weise des Fastens führt im Vollzug der wohltuenden körperlichen Mäßigung und Enthaltsamkeit zu einer neuen geistig-innerlichen Offenheit. Diese Offenheit wird aber wiederum fruchtbar gemacht für Gott und die Menschen. Für Gott: es entsteht mehr Zeit zur Meditation, zum Gebet - die überraschend gewonnene Klarheit des Geistes hilft dazu. Für die Menschen: man kann nachempfinden, wie es einem geht, der nichts zu essen hat und gibt anschließend das Ersparte aus den Fasttagen an Bedürftige weiter.
Wenn Sie in dieser Fastenzeit fasten möchten: ob allein oder in der Gruppe, ob im Umfeld der Kirche oder anderswo, die Chance ist groß, zu einem verbesserten Leben zu finden. Denn Fasten ist wohltuend, Fasten macht Freude.

Artikel vom 12.02.2005